Einzelnen Beitrag anzeigen
  #60  
Alt 05.07.2008, 17:19
Benutzerbild von josie&josie
josie&josie josie&josie ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.05.2008
Ort: wien
Beiträge: 741
Standard AW: wir sind noch so jung...

...[und sie fragte sich im stillen, während ein kalter schauer ihrem rücken entlang lief, ob sie das richtige getan hat. hatte sie sich blenden lassen von einem traum dem sie nachlief?
wer war der mann an ihrer seite? der mann den sie kennenlernte hatte sich nach einem jahr schlagartig verändert. oder war es der krebs der ihn veränderte?
sie wusch sich die hände, band ihre haare zusammen und machte sich daran zu kochen. für ihn - so wie alles andere, das sie momentan in ihrem leben tat.

als sie sich kennenlernten, vor 18 monaten, da war alles rosarot. er war der mann ihres lebens. humorvoll, und wie!, gutaussehend, erfolgreich, dynamisch und klug. er trug sie auf händen, vergötterte sie, konnte nicht genug von ihr bekommen und las ihr jeden wunsch von den augen ab. die abende waren nie langweilig mit ihm, man unterhielt sich stundenlang und war meist derselben meinung - und wenn man nicht derselben meinung war, machte es spaß darüber zu diskutieren.

so einen mann - genau so einen wollte sie. gut, er war auch damals schon leicht jähzornig wenn ihm etwas nicht sofort gelang. er konnte auch damals schon fluchen wie ein rohrspatz wenn's ums autofahren ging. aber da war sie selbst ja um nichts besser.

sie schälte die kartoffeln sorgfältig, salzte das hühnchen und schwamm in gedanken zwischen vergangenheit und zukunft.

sie war doch auch sonst keine unvorsichtige frau, noch nie hatte sie sich ernsthaft auf einen mann eingelassen. und dann kam er. obwohl er zugab steroide zu konsumieren, obwohl sie von seinen problemem wusste, lies sie sich nicht verunsichern. nein, diesmal nicht. diesmal wollte sie nicht sofort die flinte ins korn werfen, nur weil es ein paar kleine problemchen gibt.
und bekräftigt in ihrem vorhaben wurde sie, als er mit ärztlicher unterstützung die steroide sein lies. es kostete ihm kraft, aber er hatte es geschafft! zu spät wie sich ein paar monate danach bitter herausstellen sollte...

er war für sie einer dieser männer, die einen raum betreten und schlicht erscheinen. sicher hatte seine statur, sein trainierter körper und sein schönes gesicht dazu beigetragen, aber da war noch etwas anderes. er strahlte. er schaffte es mit leichtigkeit, jedem menschen ein lächeln ins gesicht zu zaubern, er wickelte die menschen buchstäblich um seinen finger. das faszinierte sie damals schon so stark an ihm.
sie war selbst eine dominante und starke frau, somit fühlte sie sich am wohlsten mit einem mann, der ihr contra geben konnte, zu dem auch sie aufsehen konnte.

sie das hühnchen samt kartoffeln ins rohr, setzte sich zum fenster und stierte ins blaue. was war geschehen? 18 monate!
18 monate...

heute ist er nicht mehr derselbe. die krankheit zermürbt diesen schönen, starken mann, sie zeert an seiner kraft, seinen muskeln, seinem wesen. er würde sie nie angreifen, das wusste sie nach wie vor, doch worte können so weh tun, anteilnahmslosigkeit kann zermürben.
die liebe die er für sie empfand schwindet, so kam es ihr vor.
hatte sie etwas falsch gemacht?
er war öfter ungehalten als früher, sie wusste ganz genau dass die chemotherapie schuld an diesen veränderungen ist.

im endeffekt saß sie tag für tag allein in ihrer gemeinsamen wohnung, obwohl er nur ein paar meter entfernt lag und fernsah. im schlafzimmer.

dennoch: sie liebte ihn. nach wie vor. "ich bin so stark wie die liebe in mir" sagte sie still in sich hinein und freute sich auf die hochzeit.

18 monate.
ein ganz anderer mensch...]

Geändert von josie&josie (05.07.2008 um 17:22 Uhr)
Mit Zitat antworten