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Alt 01.10.2013, 14:52
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Einen Herbstsonnengruß in die Runde,

und was für interessante und nachdenkenswerte Meinungen. Ich bin sehr beeindruckt und sage erst einmal Dank für die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der hier diskutiert wird. Dabei hat für mich Helmut einfach trefflich, wunderbar und mit Klarheit seine Auffassung aufgeschrieben.

Jedoch kann ich nicht allem zustimmen. So möchte ich noch einmal meine persönliche Meinung äußern. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich mein Leben selbst bestimme und nicht der Krebs. Ich habe in allem, was ich tue oder auch nicht, die Wahl, welche Therapie angewendet wird … Was natürlich für mich ein Entwicklungsprozess war, wie ich ja bereits schrieb, ging er von Hilflosigkeit über Funktionieren zum Agieren. Und mal ehrlich, bei der Diagnosestellung war ich nicht wirklich in der Lage, zu entscheiden – ich stand unter Schock und fühlte mich damals fremdbestimmt. Zum Glück stand meine Familie, mein Freund hinter mir und halfen bei den damaligen Schritten.

Bei mir kam der entscheidende Wendepunkt nach der ersten Chemo, als ich nach 10 Tagen Krankenhausaufenthalt entkräftet und innerlich leer nach Hause kam und zu meinem Freund sagte: „Ich glaube, ich schaffe das nicht!“ Er hat mich nicht liebevoll getröstet, nein, er hat mit mir Tacheles geredet und sagte sinngemäß: „Nun gut, wenn du so denkst und handelst, dann wirst du es auch nicht schaffen. Doch glaube ja nicht, ich sehe mir deinen Untergang an. Ich werde gehen.“ Drehte sich um und verließ meine Wohnung. Und genau diese Worte, diese Handlung haben MICH wachgerüttelt, mich aufgerichtet und seit dem sage ich mir: ICH schaffe das, mein Körper schafft das. Ich lebe und werde leben!

Helmut schreibt:
Zitat:
„Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.“
Stimmt. Das ist vollkommen richtig. Für mich ist es bei dieser Aussage aber wichtig, worauf ich meinen Fokus und meine Kräfte richte.
Chili hat das, finde ich, schön formuliert:
Zitat:
"Ich kämpfe für mein Leben, für meine Gesundheit. Denn das lässt uns Pläne schmieden und Ziele setzen! Man sieht dadurch, was man noch alles erleben möchte, was sich lohnt um zu leben. Hingegen, wenn man gegen den Krebs kämpft sieht man die bösen, wuchernden Zellen, die uns das Leben verderben und der Gedanke an den Tod ist näher als umgekehrt.“
Dann schreibt Helmut wieder trefflich ausgedrückt:
Zitat:
„Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.“
Und ich mag antworten:
Fälle ich meine Entscheidungen freiwillig?
Ja, mich zwingt kein anderer dazu, sondern nur mein eigener Körper, der jetzt so ist wie er ist, und mein Wille lässt mich die jeweilige Wahl treffen.
Wer oder was ist die Ursache?
Der Krebs war die Ursache. Und genau deshalb hat sich mein Leben total verändert, trotzdem ist es nach wie vor mein Leben, es sind meine neuen/anderen Lebensumstände und nein, ich wollte keinen Krebs haben und war total am Boden zerstört, als ich erfuhr, dass sich der Krebs in meinem Körper überall ausgebreitet hatte. Genau hier hatte ich auch die Wahl, es anzunehmen oder mich aufzugeben.
Ich habe gelernt, mich so anzunehmen, denn daran kann ich nichts ändern, ich konnte aber meine Einstellung dazu ändern.
Die Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", stellen mir vielleicht auch Andere, doch in erster Linie stelle ich sie mir selbst und suche nach Möglichkeiten und Wegen gut zu leben.

Ferner schreibt Helmut:
Zitat:
„Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.“
Dem kann ich nur beipflichten.

So schreibe ich selten über andere oder äußere Mutmaßungen, wie sie manche Situationen finden oder was sie fühlen könnten. Ich möchte das nicht, weil ich einfach nicht wissen kann, wie andere fühlen, spüren, denken und wie sie die Situation aus ihrer Welt sehen. Ich kann nur durch ihre eigenen Erzählungen mitfühlen und mich dann einbringen. Auch schreibe ich meistens von meinem jetzigen Leben: was ich jetzt, hier erlebe und empfinde und ich lasse mich nicht auf zukünftige Szenarien ein. Denn ich habe für mich begriffen, dass mir mein Kopfkino, was könnte alles passieren, unwahrscheinlich Angst gemacht hatte und das will ich bewusst nicht mehr. Deshalb habe ich auch alles für meine letzte Lebensphase geklärt. Ich habe auch schon kraftraubende, schwere Wochen erlebt, wo ich nicht wusste, ob ich die Intensivstation lebend verlasse. Doch bei all den schlimmen Stunden habe ich mich nicht mehr aufgegeben, sondern ich habe nach vorn geschaut und vertraut, gehofft und geglaubt. Und genau diese Einstellung möchte ich vermitteln: Es geht weiter, das Leben.

Und darum ist meine Lebensauffassung: bewusst positiv im Jetzt und Hier zu leben.

Gerne schließe ich mich Ilses Worten an:
Zitat:
„Ich bin dankbar um die Unterstützung meiner Lieben, aber auch dafür, dass ich bisher nicht jede Minute auf Hilfe angewiesen bin.“
Und kann JF ebenso nur beipflichten, wenn er schreibt:
Zitat:
„…Auch ein Weg. Einer von vielen. Die sich auch täglich bei jedem ändern können. Man ist flexibel.“
Als Schlusswort möchte ich Wangi noch einmal zitieren:
Zitat:
„Das bedeutet doch aber nicht dass ich IMMER kämpfe. Natürlich geniesse ich, sogar die meiste Zeit und finde Ruhe und spaziere durch die herbstliche Natur und freue mich.“
So wünsche ich allen einen guten Weg, eine hilfreiche Lebensphilosophie. Wobei es für mich keinen falschen oder richtigen Weg, keine falsche oder richtige Lebensphilosophie gibt. Für mich gibt es nur: Den Weg, die Lebensphilosophie, denn nichts ist so veränderlich wie das Leben selbst.

Allen einen schönen Herbsttag und die Kraft, die Sonne zu genießen
Evelyn
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