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Alt 29.09.2008, 11:12
teich1 teich1 ist offline
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Standard AW: Die Sanduhr läuft langsam ab! (Glioblastom VI)

Liebe Eva,

ja das mit den Flecken hatte mein Papa auch. Violette. Erst nur an den Armen, und dann wurde es von Tag zu Tag mehr. Am Donnerstag -Samstags ist Papa gestorben - hatte er schon mehrere Stellen an den Beinen verfärbt
und meine Mama und ich wußten darüber aus einem Heft -Sterbene begleiten - Bescheid, dass das ganz offensichtliche Anzeichen für die einsetzene Sterbephase war. Am Freitag war der Arzt bei uns zu Hause - am Freitag hatten die Flecken noch mehr zugenommen - und dieser sagte uns dann, es könne noch vier Wochen dauern, es könne aber auch nur noch eine Woche dauern.

Instinktiv spürte ich, dass dies nicht stimmte und ich sagte meiner Mama, dass er uns nicht die Wahrheit sagte. Ich ahnte, dass er es konkreter bestimmen konnte, es aber uns ersparen wollte.

Es war ja schon ab Mittwoch so, dass mein Papa nicht mehr schlucken konnte, sondern es gurgelte in ihm ganz fürchterlich,
wenn wir versuchten, ihm etwas zu trinken zu geben. Meine Mama bekam sogar einen Tablettenzerstampfer, um diese zu erkleinern, damit Papa seine Tabletten eingeflösst bekommen konnte. Es war eine einzige Tortur!!! Nie wieder möchte ich soetwas erleben. Wir mußten ihn mit zwei Leuten aufrichten, er stöhnte und jammerte vor Schmerzen und konnte dann nicht einmal schlucken... Es war ganz grausam und es wurde noch viel schlimmer.

Ab Donnerstag fing mein Papa auch damit an, dass er versuchte, sich die Klamotten regelrecht vom Körper zu reissen und wir hatten Mühe seine Hände zu halten, um ihn zu beruhigen. Wir glauben, dass er wahnsinnge Schmerzen hatte.

Jedenfalls am Freitag abend waren seine Beine schon fast überall verfärbt und ich überzeugte meine Mama, dass wir am Samstag morgen einkaufen gingen, um ihr schwarze Trauerkleidung zu kaufen. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie schrecklich so etwas ist. Der Papa lebt noch und wir stehen im Geschäft und kaufen Trauerkleidung. Gefühlsmäßig kann man das gar nicht beschreiben, aber wie gesagt, instinktiv ahnten und sahen es, dass es zu Ende ging. Wir beeilten uns fürchterlich, da wir auch schnell wieder bei Papa sein wollten.

Wir trafen zufällig auch den Arzt und sagten ihm, dass da irgendetwas ganz und gar nicht mit Papa stimmt und er so fürchterlich kämpft. Er verschrieb und Morphium (zum ersten Mal) und brachte das Rezept nach Hause, als wir noch in der Stadt waren. Mein Mann war zu der Zeit bei meinem Papa und ihm sagte der Arzt dann auch, dass es höchstens noch zwei Tage dauern würde.
Also konkreter. Mein Mann war völlig verstört, als wir nach Hause kamen und ging auch sofort weg, ohne uns von dieser Diagnose zu erzählen.

Wir saßen dann bei Papa und es wurde immer schlimmer mit seinen Rumwehren und noch schlimmer mit den Verfärbungen. Sein Gesicht sah schon
regelrecht eingefallen, der Mund, und um den Mund- und Nasenbereich wurde die Hautfarbe regelrecht gelblich. Ich bin nachmittags kurz nach Hause, um mir andere Anziehsachen zu holen, und habe die ganze Zeit schon geweint. Zu meinem Mann sagte ich damals: " Papa stirbt, er sieht jetzt schon aus wie eine Leiche".

Wir sind dann schnell wieder zu meiner Mama gefahren und in der Zwischenzeit war auch schon ein Narkosearzt da, der meinem Papa einen Morphiumtropf gelegt hatte. Meine Mama konnte das ganze nicht mehr mitansehen und zufällig hat eine Dame vom Hospiz angerufen, die meiner Mama sofort aufgrund ihrer Erzählung über Papas Zustand eine Notrufnummer von dem Narkosearzt gegeben hatte. Als dieser da war und der Tropf lief und Papa auch Wasser über den Tropf bekommen hat, hörte zumindestens das Rumwehren auf. Wir sollten dann alle zwei Stunden Morphium über einen Katheder nachspritzen. Aber sein Stöhnen hielt unentwegt an. Mehrere Stunden, bis zu seinem Tod. Ich konnte es nicht mehr ertragen und wäre wirklich in der Lage gewesen, ihn mit dem Kissen zu ersticken, um ihn zu erlösen. Ehrlich. Es kommen einem Gedanken, die darf man eigentlich gar nicht öffentlich erzählen. Aber es ist so. Kein Tier läßt man so leiden...

Um 21.30 Uhr Samstags abends dann veränderte sich Papas Stöhnen auf einmal und seine Atmung wurde ruhiger. Es war nur ein kleiner Unterton der sich im Stöhnen veränderte, aber es hörte sich auf einmal einen Spur entspannter an. Wir wurden sofort aufmerksam. Die Atmung setzte dann immer öfter aus, sein Stöhnen ließ immer mehr nach und irgendwann war er dann gestorben. Es war eine Erlösung und trotzdem schrecklich und unfassbar zugleich. Im Januar die Diagnose - fünf bis acht Monate - und nun im Juni standen wir an seinem Totenbett....

Was für mich ein beruhiges und wirklich schönes Gefühl war, war, dass Papas Hand, die ich die ganze Zeit hielt, so unendlich leicht wurde, wirklich, als wenn er davon schwebt. Es gab mir das Gefühl, dass es ihm jetzt gut geht und er wirklich woanders ist....

Die erlebten Stunden und all die Gefühle, die Verzweiflung, die Angst, das kann man gar nicht alles wiedergeben, aber als Fazit würden meine Mama und ich immer sagen: Bitte so rasch wie möglich Morphium und nicht erst so spät, wie bei meinem Papa.

Ich wünsche Dir, das Dein Papa nicht so leiden muß und vielleicht einfach nur einschläft. Alles, alles liebe von einer immer gefühlsmäßig aufgewühlten Petra, wenn ich an diese letzten Tage und Stunden von Papa zurückdenke.
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In liebevoller Erinnerung
(Foto 17.09.07)
Manfred 10.07.45-07.06.08


Leise kam das Leid zu dir, trat an deine Seite,
schaute still und ernst dich an, blickte dann ins Weite.
Leise nahm es deine Hand, ist mit dir geschritten,
ließ dich niemlas wieder los, du hast viel gelitten.
Leise ging die Wanderung über Tal und Hügel,
und uns war´s, als wüchsen still deiner Seele Flügel.


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