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Alt 09.05.2002, 09:28
Gast
 
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Standard Liebe Angehörige von Krebspatienten

Hallo Ihr Lieben,
vielen Dank, dass Ihr alle so ehrlich hier seid. Der Umgang von Angehörigen mit Krebspatienten und umgekehrt scheint wohl nicht nur mich zu beschäftigen. Vielleicht ist es aber auch ein allgemeines Problem unserer Gesellschaft, weil wir alle halt zu "funktionieren" haben, weil von uns erwartet wird, glücklich und fröhlich zu sein und gefälligst keine Krankheit zu haben. Irgendwo liegt da eine Hemmschwelle, wie man mit Kranken oder auch Invaliden umgeht, vielleicht weil uns das halt nie jemand beigebracht hat. Und wenn es dann so weit ist, und wir damit konfrontiert werden, geraten wir in völlige Rat- und Hilflosigkeit.

Petra hat erwähnt, dass man erst bei so einer Krankheit die wirklich wahren Freunde kennen lernt. Das denke ich auch, aber trotzdem frage ich mich, warum denn eine alte Freundschaft deswegen zerbrechen muss, nur weil der eine vieleicht nicht stark genug ist und dem Kranken nicht beistehen kann. Klar, der Kranke fühlt sich dann unverstanden und in dieser Situation nicht vom Freunde akzeptiert, und hat vor allem nicht auch noch die Kraft dazu, den Freund zu "belehren". Und der Freund hingegen hat nicht die Nerven oder die Kraft dazu, sich mit diesem "Leid" auseinander zu setzen, also zieht er sich vielleicht zurück - und die Freundschaft ist aus und vorbei. - Wo hapert es hier also?

Mir fällt da gerade noch genau so eine Geschichte ein, die mir entfallen ist. Es geschah kurz VOR meiner eigenen Erkrankung. Die Mutter eines Freundes von mir (sie war glaube ich 79) wurde wegen Darmkrebs operiert. Ich kannte sie schon länger, aber ich hatte keine nähere Beziehung zu ihr. Damals ging ich zusammen mit dem Freund seine Mutter im Krankenhaus besuchen. Ich weiss noch, wie das ganze Krankenzimmer so nach Kot roch, dass es einem schier den Atem nahm. Eine Mitpatientin in diesem Zimmer war gleichzeitig gerade gemütlich beim Abendessen, während mir selber langsam richtig übel wurde. Trotzdem biss ich auf die Zähne, hielt durch und nachdem wir etwa eine halbe Stunde in diesem "Geruch" sassen, ... hatte ich mich schnell von ihr verabschiedet mit exakt DIESEN Worten: "Das wird schon wieder!" Ich konnte es nicht mehr ertragen und musste dort einfach RAUS! - Eine Woche später ist sie gestorben.
Hatte ich damals jetzt die falschen Worte gewählt? Hatte sie mir angesehen, dass ich mich unwohl fühlte und "flüchten" wollte? Hatte sie sich von mir ernst genommen gefühlt? - Ich werde das wohl nie erfahren.
Dafür erfahre ich jetzt mit meinem Brustkrebs meine eigenen "Geschichten", und mir gehen so ziemlich die Augen auf!

Liebe Sonja, Du schreibst auch von Deiner Verzweiflung und dass Du nicht weisst, WIE Du Deinem Vater helfen oder beistehen kannst. Vielleicht sollten wir uns darüber gar nicht so viele Gedanken machen, sondern einfach nur LIEBEN, so wie Andreas es hier im letzten Beitrag erwähnt?
Letzten Endes ist es ja immer die Liebe, die einem die Kraft gibt. Wenn man jemanden lieb hat, dann HAT man ihn lieb. Jede weitere "Flucht" oder diese bekannten "fälschlich schönen Worte" an den Patienten, ... das entsteht alles aus der eigenen menschlichen Schwäche, ... an welcher ja vielleicht mal gearbeitet werden müsste?

Tatsache ist, dass die Patienten nun mal dazu gezwungen werden, sich mit der Krankheit auseinander setzen zu müssen. Sie haben keine andere Wahl.
Die Angehörigen oder die Freunde hingegen haben halt noch immer die gewisse "Freiheit" zu reagieren, wie ihnen gerade zumute ist! Ich weiss das, ... aus eigener Erfahrung, wie Ihr ja alle an meinem Beispiel sehen könnt.

Ganz liebe Grüsse an Euch alle
Brigitte
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