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Alt 15.04.2003, 19:37
Gast
 
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Standard schlimme gedanken

Hallo Ihr Lieben,

Brigitte, das war für mich höchst interessant, Deine Gedanken aus der Sicht des Erkrankten zu lesen. So hab ich das noch nicht betrachtet oder betrachten wollen...

Wenn man so sehr verletzt und mißbraucht wurde, dann hat man nicht allzu viel Bereitschaft, sich in denjenigen hineinzudenken und seine Situation zu berücksichtigen.
Ich spüre sehr deutlich, wenn ich eure Beiträge lese, dass ich immer noch sehr wütend bin und nur wenig Lust verspüre, Verständnis für meinen Vater aufzubringen. Obwohl Du natürlich damit recht hast, dass man mit einer derartigen Krankheit auch genug zu knacken hat und den Kopf für Erklärungen nicht frei hat.

Auf der anderen Seite ist es auch so, dass es ein langer Weg für mich war, überhaupt zu begreifen, dass etwas mit mir nicht "stimmt", dass ich Therapie brauche, dass nicht ich die Böse bin, dass diese Dinge, die passiert sind, NICHT normal waren und bis ich mir das eingestehen und darüber reden konnte.
Es scheint ja sehr häufig so zu sein, dass man erst in einem gewissen Alter (als Erwachsene) anfangen kann, das Erlebte zu bearbeiten. Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich mich entschließen konnte, etwas für mich zu tun. Und da "erwischt" man dann evtl. einen "ungünstigen" Zeitpunkt, auch was die Konfrontation betrifft.
In meinem Fall war es so, dass ich gerade dann soweit war, als mein Vater erkrankt ist. Vorher waren mir viele Dinge gar nicht bewußt. Und ab diesem Zeitpunkt (wenn man begriffen hat) funktioniert es nicht mehr, die Dinge so zu lassen wie sie waren, auch wenn es viele Jahre vorher kein Thema war. Es ist ein Weg, den man nicht zurückgehen kann. Ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine.

Jutta, ich kann Deine Brüder schon verstehen. Meine Situation war ja ähnlich. Vorher ging das bei mir mit dem "Klären" nicht, ich war noch nicht soweit. Die Frage ist eben, wann sind Eltern bereit, zu klären? Warum haben sie es nicht vorher versucht? Sicher kann man auch da Erklärungen finden, aber ich finde es traurig, dass man als Kind erst ganz unten sein, und dann noch den ersten Schritt in Richtung Klärung machen muss und von den Eltern kommt jahrelang nichts.

Naja, ihr hört schon, ich bin immer noch sehr enttäuscht und wütend. Es fällt mir schon schwer, mich in die Situation der Eltern bzw. meines Vaters zu versetzen.
Brigitte, Du schreibst, man wünscht sich, dass am Ende doch noch alles gut wird. In meinem Fall wäre da sicher nichts mehr "gut" geworden, denn Entschuldigungen oder Erklärungen gibt es da nicht. Ich hätte einfach gerne meinen Vater gefragt, warum er mir das angetan hat. An Versöhnung oder Neuanfang oder wie auch immer war ich nicht interessiert. Aber ich hätte den Kontakt vielleicht nicht ganz abgebrochen. Was er ja dann getan hat.

Danke, dass ihr meinen verworrenen Gedanken gefolgt seid. Ich drück euch,
Conny
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