Thema: Mein Opa
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #9  
Alt 06.08.2011, 05:57
EllaK EllaK ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 06.04.2011
Beiträge: 10
Standard AW: Mein Opa

Mein Opa hat es gestern abend geschafft....und muss nie wieder Schmerzen haben.
Er wurde noch 5mal bestrahlt und konnte in einigermaßen gutem Zustand am Freitag letzter Woche nach Hause. Er schlief zwar fast den ganzen Tag, aber sonst ging es ihm ganz gut. Am Sonntag hatte er plötzlich kalte Beine und Hände. Wir wärmten ihn mit Wärmflaschen, 2. Bettdecke, Heizung an und es wurde auch wieder besser. Am Montag war er plötzlich sehr gut drauf, er wollte unbedingt mit meinen Kindern einen Spaziergang machen und war überhaupt nicht verwirrt..
Die Nacht von Montag auf Dienstag war er total verwirrt. Meine Mutter fand ihn nachts sitzend auf der Toilette...wie er allein ohne Hilfe dorthin kam...keine Ahnung! Dienstag ging es ihm schlecht. Er schlief viel, hatte nicht die Kraft aufzustehen, war sehr verwirrt. Ich bat den Hausarzt, ihm einen Katheder zu legen, damit er nicht aufstehen musste, wurde knallhart abserviert...im Krankenhaus würden sie ihm einen legen. Wir sollen abwarten....
Abends eskalierte die Situation. Wir weckten meinen Opa und wollten ihm auf die Toilette helfen. Auf dem Weg dorthin wurde er plötzlich so wütend. Er schrie uns an, schlug nach mir und meiner Mutter, warf mit seinem Rollator um sich...Meine Mutter wollte ihm noch eine neue Hose anziehen, weil er sich eingenässt hatte, er wehrte sich mit allen Kräften dagegen.
Ich versuchte ihn, mit einer Tavor zu beruhigen, aber er spuckte die Tbl wieder aus. Wir ließen ihn erstmal im Bad sitzen und ich telefonierte mit der Palliativ, der Arzt riet mir zur Einweisung. Während wir noch auf die Sanis warteten, versuchte mein Opa alleine wieder ins Bett zu kommen, ohne Rollator hatte er keine Kraft, die Strecke zu meistern, aber er wollte sich nicht helfen lassen...wir hielten ihn so gut es ging, er schlug uns verzweifelt zur Seite, rutschte aus und landete auf dem Boden.
Er jammerte, wollte sich aber auch da nicht helfen lassen. Ich versuchte ihn zu beruhigen, hatte ihn sogar schon so weit, dass ich ihm wieder aufhelfen durfte, aber alleine schaffte ich es nicht. Er wollte aber von keinem anderen angefasst werden.
Kurz darauf kamen schon die Sanitäter, die ihn auf die Trage packten und ich fuhr zusammen mit ihm in die Klinik.
Auf Palliativ bekam er eine Infusion zwecks Flüssigkeit, das Morhiumpflaster kam wieder ab und er bekam eine Pumpe hingebaut.
Am Mittwoch ging es ihm wieder besser. Essen wollte er nur einen Joghurt, getrunken hat er wenig, aber er bekam ja Infusionen. Die Ärztin meinte, wir sollten uns überlegen, ob er doch in ein Hospiz sollte, sie meinte, alleine würden wir es mit ihm zuhause nicht schaffen..und er sähe nicht so aus, als ob es demnächst so weit sein würde.
Donnerstag gings ihm schlecht. Er saß morgens in einem Sessel und jammerte vor Schmerzen, ich solle ihm helfen, weinte er. Die Schwestern teilten mir mit, dass er schon mehrfach Schmerzmittel brauchte und sie die Dosis der Pumpe erhöhen wollen. Er schlief den ganzen Tag, kurz schreckte er wieder auf und hielt meine Hand ganz fest, dann döste er wieder weg. Seine Augen fixierten uns nicht mehr. Die Ärztin bei der Visite meinte, er sei wohl auf dem Weg...
Den ganzen Tag schlief er im Sessel, jammerte, wollte nicht ins Bett.Trinken und essen wollte er nicht mehr. Meine Mutter und ich blieben den ganzen Tag.
Am Freitag, also gestern hatten wir vormittags einen Termin in einem Hospiz. Wir fuhren also erst zu meinem Opa, dem es unverändert schlecht ging, er ließ den Pfleger den Mund nicht sauber machen, er hatte sehr viel Schleim im Mund, ich habs versucht und bei mir hat er nichts dagegen gehabt.
Wir fuhren dann ins nächste Hospiz und meldeten ihn an(zwar ewig zu fahren, aber wir fühlten uns dort gut aufgehoben) Mittags kamen wir wieder auf Palliativ, da ging es ihm noch schlechter. Er rasselte schlimm, war sehr unruhig. Die Ärztin hatte die Dosis nochmals erhöht und er hatte eine zusätzliche Pumpe mit einem Beruhigungmittel erhalten. Daraufhin war er nicht mehr so unruhig. Um vier Uhr nachmittag bin ich dann nach Hause gefahren, meine Mutter blieb.
Gegen 18 Uhr rief sie mich an und sagte mir, dass die Ärztin gerade da war, er würde evtl. heute noch sterben....er würde kämpfen, nicht loslassen wollen.
Ich fuhr sofort wieder hin..Das rasseln hörte zwischendurch auf, aber als die Schwestern ihn lagerten, fing er sofort wieder an. Danach war er auch unruhig, hatte Schweißperlen im Gesicht, die Schwester erhöte kurzfristig das Beruhigungsmedikament. Danach war er wieder ruhiger...atmete aber sehr schwer...rasselte..Sein Puls raste, sein Atem war sehr schnell...
Dann plötzlich...ich stand neben ihm, hielt ihm die Hand...plötzlich hustete er und spuckte ganz viel Schleim aus. Meine Mutter klingelte nach der Schwester, ich hob seinen Kopf an, damit er sich nicht stickt. Er schloss seinen Mund, er sah aus als ob er ganz zufrieden war, dass der Schleim endlich draußen war. Dann wurden seine Gesichtszüge ganz entspannt und er atmete nicht mehr.

Wir konnten uns noch verabschieden. Er bekam ein neues Hemd, eine Rose hielt er in den Händen, Blütenblätter wurden um ihn herum gestreut und er sah so friedlich aus.

Bei all den Stunden des Kampfes bleibt mir nur sein entspanntes zufriedenes Gesicht in Erinnerung. Das Sterben erinnerte mich so sehr an die Geburten meiner Kinder...man hat Wehen, man kann nicht mehr, muss trotzdem weitermachen und gestern ist ein Engel geboren.

Ich danke fürs zulesen ich hab bei Kummer, Fragen etc. immer gern andere Berichte durchgelesen und fühlte mich in meinen Sorgen und Nöten nicht allein

Micha
Mit Zitat antworten