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Alt 10.05.2012, 12:29
Carlotta76 Carlotta76 ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carla,

ich freue mich immer sehr von Dir zu lesen!

Ich glaube, meinem Papa geht es - was das Wegräumen der persönlichen Sachen angeht - ähnlich wie Deiner Mutter. Er hätte nichts dagegen, die Dinge meiner Mama weg zu räumen. Mein Papa ist ein sehr, sehr rationaler Mensch. Er hat mir vor kurzem mitgeteilt, dass der schlimmste Moment für ihn während der gesamten Krankheit und dem Tod meiner Mama derjenige war (das ist jetzt übrigens fast auf den Tag genau ein Jahr her), als wir erfahren hatten, dass meine Mama eine Metastase auf der Leber hat. Da wusste mein Papa, dass wir meine Mama - seine Frau - nicht mehr sehr lange bei uns haben werden. Ich wusste das auch, aber von einem drohenden Verlust zu wissen ist für mich eine Sache. Ihn zu erleben, ihn zu akzeptieren und trotz dieses Verlustes weiter zu leben eine andere.

Heute vor einem Jahr wusste ich, dass die Zeit, die meine Mama und ich noch gemeinsam auf dieser Erde verbringen, sehr begrenzt ist, und ich hatte Angst vor der Zukunft, Angst, dass diese tückische Krankheit meiner Mama in Bälde Schmerz und Leid verursacht wird und Angst vor dem Leben, das nach dem Tod meiner Mama weiter gelebt werden muss. Das waren fürchterliche Ängste, die schwer auszuhalten waren, und ich bin froh und dankbar dafür, dass ich diese (momentan) nicht mehr habe, und ich hoffe, dass ich nunmehr für eine gewisse (hoffentlich lange) Zeit derlei Ängste nicht mehr ausstehen muss. Aber heute vor einem Jahr konnte ich meine Mama anrufen, und ich hörte ihre Stimme. Hörte, wie sie "Hallo Liesi" sagte. Das kann ich jetzt nicht mehr. Und das tut weh.

Für meinen Papa erscheint es vielleicht ein wenig irrational, das Zimmer meiner Mama so lange unberührt zu lassen. Aber - und da bin ich ihm sehr dankbar - wir haben darüber gesprochen, und ich habe ihm erklärt, dass ich noch nicht bereit bin, die Sachen aus Mamas Zimmer zu räumen, und das hat er akzeptiert. Er hat gemeint, ich solle einfach sagen, wenn der Zeitpunkt gekommen sei, dann räumen wir gemeinsam aus. Bis es soweit ist, lassen wir alles, wie es ist, damit habe er keine Probleme.

Diese Gedanken mit der Asche in der Urne kenne ich auch. So blöd das klingt, ich habe mir sogar überlegt, was mit der Hüftprothese meiner Mama geschieht. Hierzu meinte der Bestatter, alles, was durch die Öffnung der Urne passe, käme auch da rein. Das andere nicht.

Was von einem Menschen nach dem Tod bleibt, ist ja schon eine philosophische Frage. Meine Mama und ich haben häufig darüber gesprochen. Ich komme aus einem nicht religiösen Haushalt, aber meine Mama war immer der Ansicht, dass etwas bleibt und dass auch immer etwas weiter existiert. Letzteres schließe ich nicht aus, wünschte es mir sehr, bin diesbezüglich aber etwas skeptischer als meine Mama das war. (Da kommt wohl der Erbanteil meines Papas durch.)

Liebe Carla, das ist jetzt sehr, sehr lang geworden. Ich hoffe, der lange Text nervt nicht.

Alles Liebe

Carlotta

Liebe Anja,

schön, dass Du wieder geschrieben hast, vielen Dank!

Wenn Du Dich oben durch meinen langen Text quälst, siehst du, dass ich versuche, Deine lieben Ratschläge umzusetzen. Auch ich glaube, dass die Seele den Schmerz in den Dosen zulässt, den sie vertragen kann. Aus diesem Grund - denke ich - ist das Trauern auch ein Prozess von individueller Dauer.

Liebe Anja, ich hoffe, Dir geht es gut.

Alles Liebe

Carlotta
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