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Alt 27.06.2005, 07:58
Gast
 
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Standard Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Liebe Viv,

ich mußte lächeln als ich las, Du willst der Boss sein in der Beziehung. Ich auch.
Wahrscheinlich war es mit ein Grund, daß ich an Werner kleben blieb, weil er das relativ schnell erkannte und mir nicht signalisierte, daß er es sei. Ich weiß noch, ich dachte, aber hallo, was ist denn das für ein toller, emanzipierter Kerl als er sagte, ....zwischen Mann und Frau gehts gut wenn früh fest steht wer der Chef ist, und sich beide daran halten ... Ich mein, er ist nicht nur emanzipiert, er ist auch schrecklich klug mein Werner. Eine Erinnerung erheitert uns noch immer. Als wir einmal eine Wohnung kaufen wollten, gab es eine, die ihm recht gut gefiel,mir nicht. Der Besitzer erkannte das schnell und als wir das zweite Mal zur Besichtigung kamen, wandte er sich nur an Werner, tat so, als sei ich gar nicht da. Bis ich mich einschaltete und sagte, hören sie, "er" - mit Handbewegung zu Werner, hat das Geld, aber ich hab das Sagen! Unvergesslich für uns beide der Blick des Mannes. Ich hoffe Viv, Dein Mann kann gut damit leben, daß Du die Hosen anhast.

Du lebst in der Vergangenheit? Das glaub ich nicht. Du denkst viel an sie. Vielleicht ist es gut wenn wir hier - in manchen Stunden machen wir hier auch Selbsthilfegruppe - mit Dir über die Vergangenheit meditieren. Dann ist sie noch immer da, das soll sie ja, wird aber auf das Maß zurecht gestutzt, das ihr zusteht. Mir ist das nicht fremd.Manchmal schlag ich mir vor, wie wärs denn mit ein bißchen mehr Gegenwart, nicht so viel Vergangenheit und Zukunft!

Das hört man oft, daß nach dem Tod des Partners, milder über ihn gesprochen wird, manchmal ja sogar verklärt. Als Kind, auch als altes, hat man es nicht leicht. Es gibt keine absolute Wahrheit, die Geschichten, die man miterlebt, erzählt bekommt, man kann sie eigentlich erst halbweg beurteilen wenn beide Elternteile tot sind. So traurig das ist.

Die Ehe meiner Eltern war wahrscheinlich viel besser als ich es mir vorstellen konnte. Als Mama im Sterben lag sagte sie zu mir, ... ich würde fast alles wieder so machen, ich würde auf jeden Fall den Papa wieder heiraten, ich würde nur viel früher klar machen, wenn mir etwas nicht paßt.
Liebe Viv, das hab ich meinem Papa nicht gesagt. Und das bekümmert mich sehr. Ich kann Dir sagen warum ich das verschwiegen habe. Papa hat oft gerne etwas von sich gegeben, so eine schnelle Äußerung, nur um originell zu sein. Das war manchmal witzig, manchmal kränkend. Und ich dachte, wenn ich ihm das von Mama sage, vielleicht mit einem Pathos in meiner Stimme, dann kann es sein, daß er flott drauf sagt ...ich aber nicht...
Und ich wußte, wenn das geschieht, dann verlieren wir einander, der Papa und ich.
Das heißt, er verliert mich.
Als Papa tot war und ich seine Wohnung im Heim räumte, kam Herr S., sein Lieblingspfleger und wir sprachen über meinen Papa. Die beiden mochten sich sehr, ich stehe heute noch in Verbindung mit ihm. Er sagte auch, ... oft hat ihr Vater gesagt, wie leid es ihm tut, daß er nicht ein besserer Ehemann war, er habe so eine tolle Frau gehabt, eine, mit der man Pferde stehlen konnte, er hätte das alles nicht ohne sie machen können.
Ist es nicht traurig, daß er das nie mit mir besprochen hat?

Ich glaub, liebe Viv, wir sollten alle erkennen, daß die Ehe unserer Eltern nichts mit uns zu tun hat. Wir leiden höchstens darunter.

Wenn Du sagst, auch jetzt noch ist Dein Vater ungeheuer präsent, dann denk ich mir, er hat in Eurer Familie so richtig viel herum gewirbelt, Energie erzeugt, da war so viel Spannung und es wird halt seine Zeit brauchen bis alles entladen ist.

Bis zum nächsten Mal - hab einen guten Tag!
Briele