Einzelnen Beitrag anzeigen
  #46  
Alt 11.09.2002, 08:45
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Ein langer Abschied - Teil 2

Liebe Nadine,

mein Mann hat zuerst Cisplatin und 5 FU bekommen.Er hat dann eine schwere Trombose gekriegt.Die Tumore sind weiter gewachsen, angeblich langsamer.Er bekam dann Nervenprobleme in den Beinen. Dann wurde gewechselt auf Taxol und Epirubicin. Sein Blutbild war schrecklich, und der Verlust der Haare hat ihn psychisch sehr belastet. Aber es ging ihm einigermaßen.Bei der letzten Untersuchung im Januar waren die Ärzte ganz zuversichtlich. Mein mann wollte dann Ende Januar unbedingt nach Lanzerote. Okay, habe ich organisiert. Kurz voher mußte er noch mal zur Blutkontrolle. Angeblich alles okay. Aber die Ärzte haben da schon eine beginnende Infektion vermutet- er sollte das durch den Hausarzt kontrollieren lassen. Hat er nicht gemacht und mir auch verschwiegen. Er wollte in Urlaub. Das hat mir lange zu schaffen gemacht. Warum hab ich es nicht bemerkt. Wenn er gleich behandelt worden wäre.....? Heute sage ich mir, es war seine Entscheidung. Er hat sie ganz bewusst getroffen und er war erwachsen. Ausserdem weiß ich auch nicht, ob es wirklich etwas geändert hätte.Manchmal denke ich heute es war seine Art sich von uns zu verabschieden- er hat etwas geahnt. Drei Tage nach dem Urlaub musste er ins Krankenhaus. Nach einer Woche hat er sich selbst entlassen und ich habe ihn sechs Wochen zu Hause gepflegt.Er konnte nicht mehr essen, wurde künstlich ernährt. Mein Mann hat immer leidenschaftlich gekocht, viel besser als ich, und dann künstliche Ernährung.Er hat unsagbar gelitten.Und die Blicke, von denen Du schreibst, die kenne ich auch- und seh sie heute noch.Was mich heute etwas tröstet ist die Tatsache, dass ich seinen größten Wunsch erfüllen konnte-zu Hause zu sterben.

Glaub mir Nadine, auch ich hätte dem Teufel meine Seele versprochen um ihn zu behalten.Es sollte nicht sein.Es war uns nicht vergönnt gemeinsam alt zu werden.Er kann nicht mehr miterleben, wie unsere Kinder erwachsen werden. Selbst den 18. Geburtstag unserer Ältesten mussten wir schon ohne ihn feiern.Meine Kleine ist übrigens 12.Es tut einfach nur weh.Wenn ich vollständige Familien sehe werde ich richtig neidisch. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte mal sorglos und zufrieden war- muss lange her sein.

Ich weiß nicht, ob ich einen ähnlichen Job bekomme. Eigentlich möchte ich lieber was anderes machen.Ich war eigentlich immer mit Leib und Seele Buchhändlerin, aber jetzt macht es keinen Spaß mehr.Ich werde mich um eine Umschulung bemühen in Richtung Büro und Datenverarbeitung.Morgen weiß ich vielleicht schon mehr.
Musst Du eigentlich arbeiten?

Liebe Nadine , Du bist durchaus in der Lage zu trösten- Deine Wärme, Dein Interesse sind Trost und Hilfe. Und ich bewunder Deine sehr einfühlsamen Worte, deinen Umgang mit anderen Betroffenen.

Grüße
Dagmar
Mit Zitat antworten