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Alt 17.01.2012, 11:14
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sywal sywal ist offline
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Standard AW: Myxoides Liposarkom - Rezidive

DIE PATIENTENVERFÜGUNG

Schon lange vor 2006 hatte ich bei KH-Aufenthalten meine Patientenverfügung dabei. Sie war nicht gerne gesehen worden. Einmal wurde, erst nach mehrmaligem Bitten, die Verfügung im Patientenakt vermerkt, allerdings mit Bleistift (Unterstellung: um das Geschriebene ausradieren zu können), ein anderes Mal landete die Verfügung im KH-Tresor neben den Wertsachen der Patienten.

Seit 2006 gab es in Österreich nun ein Gesetz für den dokumentierten Patientenwillen. Es gibt die
VERBINDLICHE Verfügung, an welche ÄrztInnen gebunden sind, und die
BEACHTLICHE, durch welche der Wille (nicht bindend) beachtet werden soll. Für die Erstellung letzterer ist kein Arzt/Rechtsbeistandsgespräch notwendig, sie verursacht demgemäß keine Kosten.
Da ich eine verbindliche Patientenverfügung erstellen wollte, musste ich einen Arzt und anschließend eine zugelassene Rechtsvertretung miteinbeziehen.

Gleich zu Beginn der Erarbeitung des Textes für die Verbindliche bekam ich Probleme. Gemäß Gesetz sollte jede einzelne abgelehnte Behandlung aufgezählt werden. Dies setzt eine gewisse Hellsichtigkeit voraus. Ich weiß nicht wann und an was ich sterben werden, auch nicht, welche medizinische Möglichkeiten es dann gibt. Pech, wie es so mancher Mensch hat, wird eine einzige Behandlung nicht angeführt und genau diese verlängert möglicherweise die Qualen der letzten Lebensphase. Es mag vordergründig lächerlich klingen, aber, sollte ich in der Endphase meines Lebens sein, möchte ich nicht z.B. wegen einem Nagelpilz per Krankentransport zur Nagelentfernung gebracht werden. Muss ich da jetzt ein ganzes Medizinstudium reinschreiben? Sollte ich nur eine beachtliche Verfügung schreiben? Das würde auch Geld sparen und kein Medizinstudium voraussetzen.

Der Ehemann einer Freundin hatte zwar eine verbindliche Verfügung verfasst, diese war vom Arzt unterschrieben, es fehlte aber noch (!) die Unterschrift des Rechtsbeistandes. Somit wurde die verbindliche beachtlich. Trotz Intervention der Gattin, der Familie, wurde im KH die beachtliche Verfügung nicht beachtet. So hatte die Gattin nicht das Recht eine Operation, in den vorhersehbaren und vom Arzt mitgeteilten letzten Lebensstunden, zu verhindern.

So schrieb ich, dass ich jede medizinische Maßnahme, welche ausschließlich der Verlängerung meines Sterbevorganges oder Leidens dient, ablehne. Aber, solange nach medizinischer Erkenntnis Aussicht auf Besserung meines Zustandes besteht, will ich nach den geltenden Regeln der Medizin behandelt werden. Ich akzeptiere Eingriffe – mit Ausnahme der Teilnahme an Studien bis zur Phase IIIa, die zur Genesung oder Besserung unerlässlich und zur Durchführung einer schonenden und menschenwürdigen Pflege notwendig sind.
Ich stimme einer Behandlung nach den Prinzipien der Palliativmedizin (Schmerz, Leid und Angst lindernd) zu.

Die Hausärztin ließ mich 14 Tage warten, bis sie mir mitteilte, dass sie die Verfügung nicht unterschreibt. Sie hätte an keinem diesbezüglichen Kurs teilgenommen, war ihre Begründung. Mit Hilfe einer Behörde konnte ich Kontakt zu einem Palliativmediziner aufnehmen, bekam auch sehr schnell einen Termin. Eine ¾ Stunde diskutierten wir darüber, ob die Verfügung ihre Verbindlichkeit verliert, sind die einzelnen abgelehnten Therapien nicht angeführt. Er las den Gesetzestext vor:
§ 4. In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sein ODER eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Aus der Patientenverfügung muss zudem hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt.

Ich blieb bei dem ODER! Letztendlich war der Arzt bereit die Verfügung zu unterschreiben, vermerkte jedoch, dass möglicherweise ein Mangel vorliegt.

Eine vergleichbare Diskussion gab es im Anschluss bei der Rechtsberatung, der Patientenanwaltschaft. Dort konnte man kostenlos die Unterschrift erhalten. Die Juristin war sehr nett und kompetent, ich blieb hartnäckig und war nicht bereit die abgelehnten Therapien einzeln aufzuzählen.

Dann hatte ich die (möglicherweise) gültige verbindliche Patientenverfügung in der Hand. Möglicherweise, da sowohl Arzt als auch Juristin darauf verwiesen, dass der Pkt. 5 (hier sollten die einzelnen Therapien angeführt werden) nur beachtlich wirkt.
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