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Alt 03.03.2013, 18:45
Lareleo Lareleo ist offline
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Standard AW: Profil: Angehörige stellen sich vor...

Dann stelle ich mich/uns auch hier vor. Meine Mutter, 66, hat vor etwas mehr als zwei Monaten, nachdem sie Silvester im Schnee ziemlich derbe hingefallen war, begonnen, über immer wieder auftretende kurze Schmerzwellen im Bauch und im Rücken zu sprechen.
Sie war immer gesund, hat alle Vorsorgemaßnahmen beständig gemacht, nie wurde etwas gefunden. Mutter hat immer gesund gelebt, sich mit vielen Vitaminen ernährt, hat viel Sport gemacht, Tai-Chi jeden Morgen, seit sie ein Kind war, bis vor fünf Wochen und immer viel meditiert.

Einer ihrer Ärzte, denn sie ging, weil keiner ihr etwas Richtiges sagen konnte, schnell von einem zum anderen, hatte dann plötzlich den Verdacht auf Krebs. Untersuchungen wurden gemacht und die furchtbare Wahrheit: Metastasen - überall. Kleine, feine, aber wo die Ärzte auch hinsahen, sie fanden einen kleinen Schatten, eine Körnung, einen Streifen. Keiner kann genau sagen, was oder welcher Krebs die genaue Ursache war, doch mittlerweile sind sie zu der Übereinstimmung gekommen, das sie wohl schon seit Jahrzehnten einen verkapselten Bauchspeicheldrüsenkrebs gehabt haben musste, der - warum auch immer - plötzlich gestreut hat und so geht alles rasend schnell.

Wir stehen daneben, wissen nicht, was wir machen sollen, sind ungläubig, erstaunt, weinen und können es nicht fassen. Wo kommt der Krebs auf einmal her? Warum konnte man ihn nicht vorher lokalisieren? Hatte sie wirklich nie Schmerzen? Hat sie sie immer unterdrückt? Fragen, so viele Fragen. Und meine Mutter liegt im Spital, verfällt. Jetzt ist sie bei uns zu Hause. Sie hat Pflege, denn sie verfällt stündlich. Eine Chemotherapie oder ähnliches hat sie nach verheerenden ersten Versuchen abgelehnt, genauso wie weitergehende Gespräche über Operationen und meditiert nur noch. Sie will würdevoll sterben und will schneller sein, als der Krebs. Das ist nur noch ihr einziges Ziel.

Mutter hat vollkommen mit ihrem Leben abgeschlossen, was ich ihr auch glaube, da sie immer zu uns gesagt hat, wir sollten alle jeden Tag so leben, als wäre es der letzte Tag auf Erden. Wir sollen immer sofort bereinigen, was uns ärgert, an was wir vergeblich unser Herz hängen oder das uns bedrückt, weil wir denken, wir haben Schuld auf uns geladen. Immer sollen wir bereit sein, in die nächste Welt zu wechseln. Deshalb wäre es für uns alle wichtig, in Frieden und ohne Zwistigkeiten mit der Familie, mit unseren Freunden, mit unserer Umwelt zu leben. Sollte es doch Streit geben, ihn so schnell wie möglich beilegen, aufarbeiten, erledigen. Nichts soll uns davon abhalten, unser Leben zu leben.

Meine Mutter hat sich bereit gemacht. Sie will gehen. Jetzt, solange sie noch die Kraft dazu hat. Und sie versucht alles, es zu schaffen.

Ich komme mir vor, als würde ich in einem Zeitraffer leben, nur ohne die Hoffnung, wieder daraus zu erwachen. Das alles kann doch einfach nicht wahr sein. Sie kann einfach noch nicht sterben. Ich brauche sie doch so sehr!!!

Nun, ich bin ihr jüngster Sohn, 20 Jahre alt, habe noch vier viel ältere Geschwister und meine Mutter ist bei mir, weil die anderen Berufe haben, viel arbeiten müssen. Aber sie unterstützen uns alle, kommen jeden Tag zu Besuch, soweit es möglich ist, telefonieren viel mit ihr, außer in ihren Ruhezeiten.
Dazu muss ich sagen, habe ich das Glück das mein Lebenspartner und seine Mutter - und ja, ich bin schwul - mir sehr helfen. Und das meine Mutter asiatischer Abstammung ist - ich somit auch - und sie viel Wert auf Selbstkontrolle und Selbstbeherrschung legt. Die ihr mittlerweile immer wieder entgleitet. Ich habe Angst - so furchtbare Angst, das meine Selbstkontrolle mittlerweile am Boden liegt.

Ich höre hier mal auf, es wird zu viel für eine Vorstellung. Danke fürs zuhören/lesen.
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