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Alt 20.11.2014, 11:54
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Taziana Taziana ist offline
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Standard AW: keine vorstellung vom tod

Hi Laura,
Als meine Mama die Diagnose, lungenkrebs im Endstadium - geschätzte restlebenszeit ( die wir auf Drängen brkommen haben, Ärzte schätzen Ungerne Restlebenszeit..) waren 10 Monate (sollte die Behandlung anschlagen...).
Was soll ich für sagen, man fühlt dich genauso wie du es dir vorstellst. Hilflos, machtlos, niedergeschlagen... Die erste zeit kommt die Verdrängung...
Da sagst du dir Dinge wie: "so schlecht geht es ihr gar nicht, wie die sagen." - "vielleicht irren die sich" - "wenn die Therapie sooo toll anschlägt wie jetzt hat die vielleicht noch Jahre" oder gar " sie wird wieder gesund"...

Nach einiger zeit folgte die Ernüchterung...ihr ging es immer schlecht, ein Infarkt und Schlaganfall jagte den nächsten, sie würde schwächer und einem wird klar, die Ärzte hatten recht. Zwischendurch hoffte ich, dass es überhaupt 10 Monate sein werden... So schlecht ging es ihr...
Dann habe ich mich einfach ins Bett gelegt und geheult, ich war total entkräftet und depressiv, auf einmal war mein einziger Gedanke: "Meine Mama stirbt!"
Ich dachte das immer wieder "sie stirbt"... Ich könnte nur diesen Satz denken und hab Stunden lang geheult, bis ich total erschöpft , rot, aufgequollen war... Es war schrecklich. Und wieder: "du musst dich damit abfinden, dass sie stirbt..."

Es war grauenhaft. Einige Tage später kamen Gedanken wie: "jede Mutter stirbt irgendwann, das ist der lauf der Dinge." ... "Jeder muss mal sterben..." - "aber wieso sie... Wieso jetzt???" Das alles macht man erstmal mit sich aus. Ich war so geflasht, ich könnte mich niemandem öffnen, ich wollte einfach heulen, es nicht akzeptieren, es irgendwie rückgängig machen... Ich war wie ne 3 jährige die ihren Willen jetzt nicht kriegen kann und sie auf die Erde wirft und heult, es war einfach schrecklich...

Und dann, steht man neben sich. Man rennt zu jedem Arzttermin mit, man redet darüber als wäre es das normalste der Welt: "wofür ist die chemo, welche Nebenwirkungen hat sie? Wird dir übel davon?"
Man redet darüber wie über einen friseurtermin. Es wird auf einmal real, dieser Albtraum. Es ist dein Leben. Und dann akzeptierst du es... Du siehst wie es ihr schlechter geh und leidest... Manchmal fragte ich mich auch, warum sie jetzt so leiden muss... Und solche Dinge, die keinen Sinn machen sie zu fragen. Ich fragte mich wieso andere "einfach einen Herzinfarkt bekommen" während meine Liebste dahin vegetiert... Und gleichzeitig ist man froh, den Menschen noch eine weile zu haben, man kämpft um jede Stunde, jeden Tag, jede Woche...

Als sie dann im sterben lag fragte ich mich schließlich: wozu haben wir solange gekämpft??? Dann kommt diese Ungerechtigkeit wieder, die man empfindet. Und alles fing bei mir von vorne an: "warum sie??? Warum so???? Warum jetzt?!?!?"

Und nun bin ich zurück geblieben mit meiner Trauer. Ich denke jeden Tag an sie. Manchmal bin ich glücklich und dankbar, dass ich sie hatte undanchmal bin ich einfach nur fertig weil ich sie nicht anrufen kann.

Seine Mama zu verlieren ist das schlimmste was mir bis jetzt in meinem Leben passiert ist und ich wünschte sie wäre noch hier... Ich hoffe, dass ich irgendwann einfach auch an die schönen Erinnerungen denken kann, wie bei meinen Großeltern. Beide sind an Krebs gestorben und wenn ich an sie denke, denke ich an eine glückliche Kindheit, was meine Omi gekocht hat. Wie streng der Opa war, wenn ich Blödsinn gemacht habe. Kaum an die schlimme Krankheit... Bei meiner Mama bin ich noch nicht soweit. Der Schmerz sitzt noch zu tief, das Jahr war kräftezehrend.

Auch wenn es vielleicht nicht das ist was man lesen möchte, dass ist meine erfahrung... Es wäre einfach gelogen, wenn ich den Sterbeprozess beschönigen würde... Schließlich bist du hier um zu erfahren wie es ist... Und nicht für schönrederei. Ich hoffe, dass es deiner Mama noch lange gut geht!
Liebe Grüße
Tazi!
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Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot. Der ist nur fern. Tot ist nur, wer vergessen wird.

Mama (Bronchialkarzinom) 05.05.1949 - 27.06.2014
Oma (Nierenzellkarzinom) 24.08.1925 - 03.01.2004
Opa (Bronchialkarzinom) 24.07.1929 - 06.10.2001
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