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Alt 01.08.2009, 21:16
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo ihr Lieben!
Ich bin wieder da. Ich bin gerade am abstürzen. Leider habt ihr meine gute Zeit zwischen Reha und kurz vorm Ende des Sommersemesters nicht miitbekommen. Ich war da richtig glücklich und entspannt. Damit will ich nur sagen, dass ich eigentlich in den letzten Jahren nicht ständig am Heulen bin. Ich hatte mich ja hier etwas zrückgezogen, nachdem ich hier vielleicht auch Scheiße geschrieben hatte. Ja, ich habe ein Anerkennungsproblem, was ich aber nach Depressionen und nach einer langjährigen Psychoanalyse eigentlich ganz gut im Griff habe. Wenn man mich nicht gerade in einem schwachen Moment antrfifft oder meine Wunden trifft.

Vor etwa fünf Tagen ist mein Verdacht wieder Krebs zu haben irgendwie in eine Überzeugung umgekippt, was ich noch niemanden gesagt habe. Von meinem Verdacht habe ich ja bisher meinen Oberarzt und meiner Psychologin nebenbei bei der Vernissage erzählt. Beide glauben es nicht. Ich fühle es im Brustkorb. Ich glaube, dass sie es einfach nicht glauben wollen. Beide Rezidive habe ich als erste erkannt. Jetzt tut es mir genau an der gleichen Stelle unterm Brustbein überm Herzen weh. Mein Oberarzt meinte ja, dass es von der Bestrahlung kommen kann. Das glaubt der wohl selbst nicht. Die letzte war vor 2 Jahren. Da wollte er wohl sich und mich anlügen.

Ich war ja mit meinen Eltern verreist. Ich kann doch nicht meiner Mama sagen: "Ach, Mama übrigens glaub ich, dass ich wieder Krebs habe." Die weiß auch, dass meine Überlebenswahrscheinlichkeiten nicht besser werden. Ich habe ihr erzählt, dass ich Dienstag ein PET habe, aber nicht, dass es auf meinen eigenen Wunsch erfolgt. Ich wollte noch den Urlaub in die Normalität retten.


Außerdem sind noch alle mit der Trauer um Ronny beschäftigt. ich auch. Meine Mama hat schon so viel mit mir durchgemacht. Das kann ich ihr nicht antun. Sie wird in den nächsten jahren ihre Eltern verlieren. Seit Tagen stelle ich mich innerlich auf die 4. Krankenhaus-Odysee ein und sage nichts. Wahrscheinlich bin ich deswegen jetzt so fertig. Jetzt habe ich mal Gelegenheit zum Heulen.

Mein Vater ist meiner Mutter einfach keine Hilfe. Der zieht sich immer aus der Affäre. Falls ich irgendwann an dieser Krankheit sterbe sollte, wird meine Mutter das kaum verkraften. Und dan hat sie noch so einen unfähigen Mann an ihrer Seite, der nie funktioniert, wenn man ihn braucht.


Ich frage mich, ob es ab einem bestimmten Punkt überhaupt noch sinnvoll ist an meinem Studium festzuhalten. Wenn ich noch mehr als ein Urlaubssemster brauche, werfen die mich sowieso raus. Krebserkrankungen sind während des Studiums nicht vorgesehen.


Montag gehe ich Ronnys Asche abholen. Es macht mich zusätzlich noch fertig, dass ich ihn in seinen letzten Monaten nicht betreuen konnte. Vielleicht hat er deswegen an meiner Liebe gezweifelt. Er konnte ja meine Krankheit nicht verstehen. Es tut mir so leid, dass ich ihn so vernächlässigt habe. Deswegen bin ich so dankbar, dass ich mich wenigstens von ihm verabschieden konnte und ihm noch mal körperlich zeigen konnte, dass ich ihn liebe. Ich habe ihm gesagt, dass wir uns im Himmel wieder sehen.

Meine Mama wusste schon länger, dass Ronny bald sterben würde. Um mich nicht zu belasten, hat sie es mir nicht gesagt. Wahrscheinlich hätte ich dann öfter- auch den ärztlichen Ratschlägen entgegen -mehr mit ihm geknuddelt.

Die von der Röntgenpraxis waren beim letzten PET sich schon nicht sicher und wollten schon im Februar ein weiteres machen. Mein Oberarzt hat das für verfrüht gehalten.

Vielen Dank für alle, die sich meinen langen Text durchlesen
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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