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Alt 24.07.2005, 22:21
Gast
 
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Standard nur im Zimmer nebenan....

Meine Mama ist tot.

Und das verrückte ist, dass sie noch nicht mal an BDKS gestorben ist. Die Therapie schlug gut an und es sah so aus, als würde sich der Tumor zurückbilden.

Wir hatten so viel Hoffnung, so viele Pläne.

Im September wäre sie zwei Häuser neben mir eingezogen. Eine wunderschöne Wohnung mit drei Zimmern. In eines sollte meine älteste Tochter ziehen.

Die Krankheit hatte uns zusammengeschweißt. Wir alle haben gelernt, umzudenken.

Zeit ist so kostbar, viel zu kostbar um sie mit Zank und Streit zu verplempern.

Die letzten Monate waren erfüllt von Liebe, Wärme und Zuneigung. Sie hatte sich so auf den Umzug gefreut, geplant, Gardinen ausgesucht, Farben für die Wand, plante die Möbel und und und. Freute sich darauf, dass sie hier so schön spazierengehen könnte, freute sich auf unsere WG über zwei Wohnungen.
Sie war so glücklich, dass ich vor drei Wochen wieder Arbeit gefunden habe. Dass meine älteste Tochter nun doch endlich weiter zur schule gehen konnte.

Am Mittwoch war ich bei ihr abends. Wir tranken noch einen Kaffee zusammen. Es ging ihr nicht gut. Sie war sehr schlapp nach der Woche Chemo. Ihre Mundschleimhaut war angegriffen. Es war das erste Mal, dass ich sie ohne Gebiss sah. Sie war doch immer so eitel. Aber es tat ihr weh und dann war es ihr egal. Sie wollte sich noch aufs Sofa legen und ein wenig fernsehen.

Bevor ich ging, nahm ich sie ganz spontan in den Arm, knuddelte sie, herzte und küsste sie. Sie knuddelte zurück, sah richtig seelig aus und verabschiedete mich wie immer mit einem Kichern "so, und nun verpiss dich."
Sie stand an der Türe im Treppenhaus und winkte mir "bis Samstag"

Donnerstag nachmittag versuchte ich sie anzurufen. Es war so 18.30h . Sie ging nicht ran. Naja, dachte ich, vielleicht noch mal eben Zigaretten holen.
Eine halbe Stunde später versuchte ich es nochmal. Nichts.
Das kam mir dann so seltsam vor.

Ich setze mich ins Auto und fuhr zu ihr hin. Die halbe Stunde fahrt kam mir elend lange vor.
Ich klingelte. Nichts. Ich schloss auf, rannte die Treppen raus. Die Türe war nicht abgeschlossen, sie musste also zuhause sein.
Ich rannte in den Flur, rief ihren Namen. Nichts. Stille.

Als ich ins Wohnzimmer kam, traf mich der Schlag.

Sie hatte wohl- aufgrund der Erkrankung - wieder Durchfall gehabt. Ob ihr dann schwindelig wurde, wer weiß das schon. Sie lag halb entkleidet auf dem Boden, die Augen offen, starr, tot. Seit Stunden.

Es war und ist ein Albtraum, mit einem solchen Inferno konfrontiert zu werden.
Niemand sollte so seine Mutter finden. Niemand.

Die Notärztin sagte, es wäre eine Lungenembolie gewesen, alle Zeichen würden draufhin deuten.

Am Freitag haben wir sie im Bestattungsinstitut besucht, um ein letztes Mal von ihr Abschied zu nehmen. Sie sah so friedlich aus, als wenn sie schliefe.


Nun ist sie nicht mehr da und in mir ist ein tiefes Loch.
Es tut so unglaublich weh.

Es ist niemand mehr da, nur meine Kinder und ich.
Vor der Haushaltsauflösung graust es mir.

Wir waren heute noch in der Wohnung, um die Blumen und Pflanzen zu holen. Sie wäre sehr enttäuscht, wenn sie nun nicht weitergepflegt würden.
In der Wohnung hängt der Geruch ihrer Krankheit und des Endes. Wie bekomme ich den nur raus. Ich finde die Quelle nicht, es hängt einfach da rum, trotz offener Fenster.

Es war so unnötig, ich verstehe es nicht. Der Schmerz zerreißt mich. Sie hatte noch so viel vor, sie hat sich so gefreut.

Letzendlich hat sie ihren Willen bekommen: sie ist nicht im Krankenhaus dahinvegetiert. Sie starb zuhause, ohne diese "blöde Perücke", die hat sie nie gebraucht.

Am Mittwoch ist die Trauerfeier, anschließend ist die Überführung zur Einäscherung.

Ich lasse sie in Holland einäschern. Danach wird ihre Asche im Wind verstreut.

Sie war so eine temperamentvolle Person, ein richtiger Wirbelwind, wenn sie in Fahrt war. Eine Walküre, eine Windsbraut.

Nun kann sie auf dem Wind reiten, wohin er sie auch trägt.

ich denke, das wird ihr Spaß machen.


Mach's gut, Mami, ich werde dich nie vergessen, du bist für immer in meinem Herzen

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