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Alt 29.12.2014, 11:42
Schnuffie Schnuffie ist offline
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Standard Erfahrungsbericht Borderline

Liebe Mitstreiterinnen,

anlässlich meiner Borderline-Erkrankung vor drei Jahren bin ich hier gelandet habe mich aber nie getraut zu schreiben weil ich ja im Vergleich zu einigen anderen tapferen Frauen hier eine eher "harmlose" Tumorerkrankung hatte. Heute Nacht habe ich meine Meinung aber geändert weil ich - mal wieder schlaflos - gelesen habe dass einige neu erkrankte Borderline-Patientinnen nach Erfahrungen suchen.

Diagnose
Einen schönen Tag Ende Mai 2011 habe ich mit Gartenarbeit verbracht als plötzlich starke Blutungen einsetzen die immer schlimmer wurden. Gegen Abend war ich in Todesangst zu verbluten und bat meinen Mann, einen Krankenwagen anzurufen weil ich mich nicht mehr getraut habe, mich aufzusetzen. Im nächsten KH angekommen konnte man die Blutung stoppen - nicht zu früh wie sich heraus stellte. Eine angebotene Blutkonserve wollte ich aber nicht.

Am nächsten Morgen kam ich zur Ausschabung, die nicht komplikationslos verlief weil die darauf folgende Blutung kaum zu stoppen war. Am Nachmittag desselben Tages wurde mir empfohlen, die GM entfernen zu lassen und der OP-Termin für den Tag darauf angesetzt. Noch im Aufwachraum erfuhr ich, dass ein Eileiter "komisch" ausgesehen hätte und daher mit entfernt wurde. Beim Schnellschnitt sei "nur" ein Borderline Tumor auf dem Eierstock gefunden worden, keine entarteten Zellen in der Spülflüssigkeit. Der Gynäkologe versicherte mir, alles sei bestens und ich packte nach drei Tagen im Krankenhaus meinen Koffer und setzte mich demonstrativ davor. Meinen Mann hatte ich schon angerufen damit er mich abholt und schließlich stimmte mein Gyn auch zu, dass ich genauso im Büro sitzen könne wie im Bett.

Einige Tage danach erhielt ich einen Anruf, die Sektretärin des behandelnden Chefarztes wollte einen Gesprächstermin vereinbaren aber nicht sagen, weshalb. Der Termin sollte dann einige Tage später sein aber das hätte ich nicht ausgehalten und so bekamen wir (mein Mann und ich) noch am selben Tag ein Gespräch.

Mein Operateur eröffnete mir, dass er mir auch den zweiten Eileiter heraus nehmen wollte und das so schnell wie möglich. Er würde das auch ambulant und laparoskopisch machen und wir vereinbarten den nächsten OP-Termin. Inzwischen ließ ich mir den Befund der ersten OP senden: Borderlinetumor, pT1c FIGO 1C. Er versprach mir, dass ich danach sicher gesund bleiben würde. Sein Vorschlag war ein schwerer Schock für mich. Ich hatte angenommen, dass mit der OP jetzt alles erledigt ist und wegen der Dringlichkeit der Eingriffe fühlte ich mich nun total überrollt von den Ereignissen.

Als ich zur laparoskopischen Entfernung des verbliebenen Eileiters antrat war man plötzlich total erstaunt dass ich gleich wieder nach Hause fahren wollte, mindestens drei Tage sollte ich im KH bleiben. Das wollte ich aber auf keinen Fall und am Nachmittag als ich wieder wach war, habe ich mich angezogen und mich "auf eigenen Wunsch" entlassen.

Von der ganzen Sache fühle ich mich bis heute total überfahren und traumatisiert. Ich hatte keine Zeit mich auf irgend etwas einzustellen und nach allem was ich hier lese weiß ich, dass ich bei allem Pech auch ein Riesen-Glück hatte dass letztlich alles gut gegangen ist obwohl ich mich vorher weder informieren noch ein passendes KH aussuchen konnte. Durch das Myom wurde der Borderline noch recht frühzeitig entdeckt.

Nachsorge
Als ich ein Jahr später wieder beim normalen Gynäkologen in der Praxis saß war der völlig entsetzt dass ich nicht alle drei Monate gekommen bin aber das hätte ich seelisch nicht ausgehalten. Es gab auch gleich "Nachschlag" weil er eine Lymphzyste im Ultraschall fand, die im MRT verifiziert wurde und inzwischen schon etwas kleiner geworden ist. Apropos MRT - geht nur mit Beruhigungsmittel aber dann auch problemlos.

Das Leben geht weiter..
Seither halte ich es so - ich gehe einmal im Jahr zur gynäkologischen Untersuchung (sowie Mammografie/Ultraschall) und sterbe vorher jedes Mal fast vor Angst, dass wieder irgend etwas ist. Jedes Mal zur Begrüßung bekam ich von meinem Gyn verbal Haue dass ich so lange nicht da war bis auf das letzte Mal - die drei Jahre o.B. sind um und jetzt ist es ok nur noch einmal im Jahr zu kommen. Ich weine jedes Mal vor Erleichterung wenn ich aus dem Untersuchungszimmer komme, alles in Ordnung ist und die Anspannung von mir abfällt. Aber das gibt mir dann auch emotional einen richtigen Schub - es liegt wieder ein gesundes Jahr vor mir, alles ist gut.

Wechseljahre
Ich war trotz meines damaligen Alters von 54 Jahren noch nicht in den Wechseljahren, habe die hormonelle Umstellung aber gut weggesteckt. Hitzewellen hatte ich zuerst auch und mir ist auch jetzt tendentiell immer eher warm, während ich früher eine Frostbeule war. Der operierende Chefarzt und mein Gynäkologe wollten mich beide hormonell behandeln was ich letztlich abgelehnt habe um den Tumor nicht anzufüttern und auch um bessere Chancen zu haben, eine gesunde Brust zu behalten (meine Mutter hatte Brustkrebs).

Mein Darm hat mir noch längere Zeit zu schaffen gemacht aber das hat sich auch leidlich wieder eingependelt. Ich verliere manchmal ein paar Tröpfchen Urin wenn ich niese aber auch nicht immer, das kommt vielleicht alle paar Wochen mal vor und finde ich händelbar. Ich hoffe, dass mein Beckenboden mich nicht im Stich lässt wenn ich weiterhin viel mit den Hunden raus gehe und mich bewege. Ich bin weit davon entfernt, inkontinent zu sein - Inkontinenz und vorzeitige Alterung wurden mir unverblümt als Folge angekündigt wenn ich auf Hormone verzichte. Na da warte ich noch drauf..

Sich in die Seele einer Patientin einzufühlen scheint doch nicht jedem so gegeben zu sein. Ich erinnere mich noch wie perplex ich war als mein Mann ungefragt darüber informiert wurde, ab wann er mich - ehm - quasi wieder in Gebrauch nehmen kann. Das ärgert mich bis heute, gesprächsweise auf die sexuelle Funktionsfähigkeit reduziert zu werden. Übrigens im selben Gespräch in dem ich gedrängt wurde Hormone einzunehmen um nicht in Kürze auszusehen wie ein (Zitat!) "alter Indianer".

Schlaflos bin ich oft aber ich lese sehr gerne und mein Lesegerät leistet mir dann nachts Gesellschaft - oder ein kleines Tablet nachdem ich einen WLAN-Verstärker eingestöpselt habe. Ich nutze die schlaflosen Stunden sehr gerne und mit einem spannenden Buch geht die Zeit schnell um. Da ich aber schon sehr lange Schlafstörungen habe, schiebe ich die nicht nur auf die hormonelle Umstellung.

Ich führe ein ganz normales Leben und fühle mich gesund.

Sorry..
dass ich so einen langen Text verfasst habe. Es war wohl auch für mich mal Zeit, alles in Worte zu fassen was mir auf der Seele gelegen hat.

Liebe Grüße
Schnuffie

Geändert von Schnuffie (29.12.2014 um 11:54 Uhr)
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