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Alt 23.04.2006, 18:22
Simone W. Simone W. ist offline
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Standard AW: Ich habe Angst!

Liebe Alinore ,
es ist sehr schwer damit umzugehen , hilflos zusehen zu müssen wie ein geliebter Mensch an dieser elenden Krakheit sterben muß.
Mir hat es rückblickend unheimlich geholfen , so viel Zeit wie möglich mit meinem Vater zu verbringen . Wir haben die wenige uns verbliebene Zeit , glaube ich , intensiv genutzt .
Wir haben einerseits alles versucht , ihm zu helfen (OP, viele Artzbesuche , Chemo) , aber auf der anderen Seite auch versucht seinen Willen zu respektieren und ihn nicht unnötig zu quälen . Hätte ich vorher gewusst , dass alles nichts hilft , hätten wir wohl sogar auf die schwere Operation verzichtet . Aber wer weiß das schon vorher und schließlich klammert man sich an jeden Strohhalm .
Es hat mir geholfen auch in den letzten Stunden und Minuten seines Lebens bei ihm zu sein , ihm die Hand zu halten , ihm zuzureden , ihm die Angst vorm Sterben zu nehmen .
Glaube mir , ich hätte nie gedacht , daß ich das könnte - ich dachte ich gehe daran kaputt , wenn er stirbt . Aber am Ende war der Tod eine unenedliche Erlösung (und ich hätte noch vor 1/2 Jahr nie gedacht , daß ich jemals einen solchen Satz hier schreiben würde) .
Mein Vater hätte ein Leben mit Schmerzen ,Krankheit und Leiden nie gewollt , er wollte nie pflegebedürftig sein (wäre er aber geworden,wenn er noch einen Tag länger gelebt hätte) und so weiß ich daß es ihm jetzt besser geht ! Eine halbe Stunde bevor er starb , sagte er : ich will sterben ! Er konnte und wollte nicht mehr so leben . Und ich weiß , er hat den Krebs damit besiegt , daß er sein Leben losgelassen hat. Ich bin unheimlich stolz auf ihn und froh, daß ich so einen tollen Menschen als Vater haben durfte .
Glaube mir , man entwickelt eine ungeahnte Stärke und wächst an dieser Erfahrung .
Das eine Jahr der Qual (Operation , langsame Geneseung , Hoffnung , Wiedererkrankung, Chemo , Hoffnungslosigkeit) war für uns und meinen Vater schlimmer als das Loslassen !
Mein Vater hatte eigentlich bis zuletzt die Hoffnung , daß es irgendwann wieder bergauf geht . Er brauchte diese Hoffnung , um einigermassen mit der Krankheit klar zu kommen . Wir haben jeden Tag relativ normal gestaltet , leider begleitet von Schmerzen und vielen Artzbesuchen , aber wir hatten auch viele schöne Momente der Nähe , der Liebe und des Lachens .
Mein Vater ist zwar gestorben , aber nicht tod ! In meinem Herzen und meiner Erinnerung ist er so lebendig wie nie zuvor . Er lebt - nur woanders , ohne Schmerzen und ohne Leiden und ich sehe ihn lächeln !
Natürlich ist es eine sehr traurige und schmerzhafte Erfahrung ,aber man muß auch lernen das Unabänderliche zu akzeptieren . Ich bin eine Kämpfernatur und habe mich mit dem Akzeptieren sehr schwer getan ; aber ich kann sagen , daß es einem besser geht und man befreiter miteinander umgehen kann , wenn man annimmt , daß das Leben nicht unenedlich ist.
Ich wünsche Euch alle Kraft der Welt und daß Euch noch genug Zeit bleibt alles auszusprechen , was auszusprechen ist .
Daß Rauchen nicht gerade förderlich für die Gesundheit ist , wissen wir alle und ich denke , Du wirst schaffen damit aufzuhören , wenn Du es wirklich willst und wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist .
Alles Liebe
Simone
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