Einzelnen Beitrag anzeigen
  #2  
Alt 20.02.2011, 23:50
Benutzerbild von Ylva
Ylva Ylva ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 21.10.2005
Ort: Hessen
Beiträge: 3.112
Standard AW: Fühle mich so müde, hilflos und allein

Hallo Zetchen,

ich kann dich verstehen. In einigen Situationen die du schilderst erkenne ich mich wieder.

Meine Mutter bekam 04 die Diagnose Mammakarzinom, damals war ich 17 Jahre alt und für mich brach eine Welt zusammen.

Ich selber hatte damals auch überhaupt kein Selbstbewusstsein, kein Selbstwertgefühl und der einzige Mensch der mich unterstützt hat und mich so angenommen hat wie ich bin war und ist meine Mutter. Und von einem auf den anderen Tag ist deine Welt nicht mehr wie sie mal war.

Auch ich musste anfangen umzudenken. Jetzt musste ich stark sein - für Mama. Sie unterstützen und sie aufbauen, wenn sie (und das war oft) am verzweifeln war.
Plötzlich hatten wir ungewollt die Rollen getauscht.
Ich habe mich so hilflos und einsam gefühlt - aber es hat mich auch reifer gemacht und selbstbewusster.

Die Angst, dein ständiger Begleiter. Damals wie heute. Mal schläft sie und man hört nur ein schnarchen und mal ist sie so aktiv das es dich fast umwirft. Man muss lernen mit der Angst zu leben, so blöd es klingen mag. Die Angst darf dich nicht beherrschen, du musst sie beherrschen. Nein..auch bei mir klappt das nicht immer. Auch nach sovielen Jahren kommt sie immer wieder hervor.
Ich bin nie ein besonders optimistischer Mensch gewesen, war als Teenager verschlossen und still, ein Aussenseiter, habe mich vor dem PC verschanzt und mein Leben spielte sich dort ab. Deswegen kann ich dich so verstehen.

Aber ich habe gelernt zu kämpfen. Mit und für Mama. Und mit der Angst.

Ich kann dir nur nahe legen zu einem Therapeuten zu gehen. Mir hat es geholfen. Am Anfang kann man sich das gar nicht vorstellen und es ist eine ganz komische Situation. Man sitzt vor einem Fremden und soll sich öffnen (für mich schien das so unmöglich, weil ich mich nicht mal vor meinen "Freunden" öffnen konnte)
Ich habe lange gebraucht aber ich habe durchgehalten und es hat sich ausgezahlt. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen und ich würde es auch eher als Unterstützung sehen. Es ist absolut keine Schande zu einem Therapeuten zu gehen und bitte vergiss sofort das es ein lächerlicher Gedanke ist.
Wenn man - wenn auch "nur" als Angehöriger mit der Diagnose Krebs konforntiert wird - fällt man erst einmal in ein tiefes Loch.
Und man hat diese ambivalenten Gefühle. Mir ging es so, dass ich mich schlecht gefühlt habe, wenn ich mich über etwas gefreut habe und/oder gelacht habe. Im nächsten Moment habe ich an Mama gedacht, die in der Klinik liegt oder in ihrem Zimmer und alle möglichen Nebenwirkungen der Chemo hat und ich LACHE oder freue mich. Inzwischen weiss ich, dass vorallem das meiner Mutter durch diese Tage geholfen hat. Und trotzdem, es ist ganz ganz schwer, finde ich, den richtigen Weg zu finden.
Rede mit deiner Mutter. Redet über eure Ängste und Sorgen, versucht auch zu lachen und zu hoffen und weint miteinander, wenn Euch danach ist.
Es gibt, meiner Meinung nach, kein richtig und kein falsch wenn man mit dem Herzen handelt.

Ich kann dich nur bestärken dir einen Therapeuten zu suchen. Und du kannst es ja auch ersteinmal versuchen und wenn du merkst, es ist überhaupt nicht das Wahre für dich...dann hast du es zumindest versucht.

Und schreiben. Mir hat und es ist heute noch so, dass Schreiben und der Austausch mit anderen, die ähnliches erleben oder erlebt haben, sehr geholfen.

Es ist nicht einfach. Ich weiss. Und es funktioniert nicht jeden Tag. Und man darf auch schwach sein.

Alles, alles Gute für dich und deine Mutter.

Viele Grüße
Ylva
Mit Zitat antworten