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Alt 31.05.2005, 23:01
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Standard Soll ich zu meiner Mutter ziehen?

Hallo Kerstin,

ja, da gibt es eindeutig Ähnlichkeiten bei unseren Beziehungen zur Mutter. Ich habe auch oft das Gefühl, sie zieht sich zurück, wenn ich’s nicht so mache, wie sie es für richtig hält. Streiten tue ich mit ihr jedoch schon lange nicht mehr. Früher gab’s oft hitzige Wortfetzereien zwischen uns, wir waren uns sehr ähnlich ;-)

Viele Angewohnheiten hatte ich von ihr irgendwie übernommen: das pessimistische, frustrierte zum Beispiel. Das von anderen zu viel erwarten und immer enttäuscht werden. Meine Mutter hat manchmal eine recht unbeherrschte, laute Art an sich, fährt sehr leicht aus der Haut. Auch das hatte ich an mir. Habe ich mir aber abgewöhnt, war schmerzhaft für mich und langwierig, der Prozess. Die Tendenz dazu habe ich immer noch, man ändert sich schließlich nicht von heute auf morgen. Heute habe ich meine Einstellung aber fast schon um 180 Grad geändert. Und so gefalle ich mir wesentlich besser, ich lebe auch leichter auf diese Art und will nicht in meine alte Art zurück fallen. Unter keinen Umständen!

Leider nimmt sie von mir nicht viel an, jetzt schon gar nicht mehr. Sie verschließt sich, macht dicht. Sie sagt, sie fühlt sich vom Leben ungerecht behandelt. Sie fühlt sich eigentlich von allen ungerecht behandelt. Aus meiner Sicht macht sie es sich selber schwer und behandelt sich selbst nicht gerade sehr nett. Meine Mum akzeptiert andere Meinungen auch nur schwer, wenn überhaupt. Sieht sie selber aber überhaupt nicht so! Sie reflektiert sich da irgendwie sehr wenig.

Auch das „hab ich doch gleich gesagt“ kenne ich bestens. Einmal nach einer Trennung, von der ich ihr heulend erzählt hatte, hat sie letzen Endes nur gesagt: „ Sei doch froh, dass Du Dir die 5 Euro für das Taxi hast leisten können, ich hätte das nicht gekonnt“ (mein Ex und ich stritten oder hatten ein Trennungsgespräch ;-) bis früh um vier und ich bin mit dem Taxi in meine eigene Wohnung gefahren) Daraufhin hab ich zu ihr gesagt: „Mutti, warum kannst Du mich nicht einfach mal drücken anstatt sowas zu sagen?“ Sie daraufhin: „Ach Kind, was soll’s denn?“ Das war vor zwei Jahren und das letzte Mal, das ich ihr was von mir erzählt habe. Mein Dad hat mich da besser verstanden, er war auch kein Meister im Ausdrücken von Gefühlen, zumindest nicht verbal, aber er hat mich nicht noch platt gemacht, ich hatte immer das Gefühl er versteht mich oder versuchts zumindest.

Die Ehe meiner Eltern war trotz allem gut. Bei meinem Vater hab ich mich oft über meine Mutter beschwert, das letzte Mal zwei Wochen vor seinem Tod. Da hat er nur gesagt: „Deine Mutter ist ein guter Kerl, aber manchmal ist sie wirklich sehr garstig. Aber sie ist halt so.“ Tja, und damit hatte er Recht. Ich denke, er würde verstehen, dass ich nicht zu ihr ziehen möchte, wenngleich es ihn vielleicht auch traurig stimmen würde. Überhaupt denke ich mittlererweile, dass ich mich mehr IHM gegenüber verpflichtet fühle als meiner Mutter. Aber vielleicht denke ich ja zu viel und fange an zu spinnen ;-)

Liebe Kerstin, ich glaube Dir gerne, dass es Dir weh tut wie es um Dich und Deine Mutter „steht“ (ungeschickt ausgedrückt, aber ich hoffe Du weißt was ich meine). Vielleicht schaffst Du es ja auch, ihr die Hand zu reichen, ändern kannst Du Deine nicht und ich meine nicht. Wir können lediglich unsere Einstellung dazu ändern, alles andere liegt nicht in unserer Macht. Insgeheim glaube ich schon, dass meine Mutter anerkennt, was ich für sie tue, auch wenn sowas nicht über ihre Lippen kommt im Moment. In der ersten Zeit nach Papa’s Tod, da hat sie schon mehrmals erwähnt, dass sie froh ist mich zu haben und dass sie nicht wüsste, wie sie die erste Zeit ohne mich überstanden hätte. Davon ist jetzt leider nichts mehr zu spüren. Stimmt mich ein bisschen traurig, aber nicht übermäßig.

Liebe Claudia,

stimmt, Abgrenzung heißt nicht Ablehnung, sag das mal meiner Mutter ;-) Auf andere bezogen sieht sie das sicher so, aber nicht auf mich und sich selber bezogen. Ihr Patenkind zum Beispiel (Mitte 20) wohnt ca. 20 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt, zufällig gäbe es eine freie Wohnung in der Nähe ihrer Mutter (das Patenkind und ihr Freund suchen gerade nach einer neuen, größeren) aber sie will nicht einziehen, weil im selben Ort. Meine Mutter versteht das in diesem Fall, zumindest geht das aus ihren Gesprächen mit ihrem Patenkind hervor. Seltsam, gell?

Ich glaube, das Grundproblem meiner Mutter ist die Zufriedenheit. Sie ist grundsätzlich kein zufriedener Mensch, war ich auch nicht, noch vor wenigen Jahren. Ich empfinde es so, dass sie sehr oft mit sich hadert, anstatt sich an dem zu freuen, was sie hat (so war ich auch mal). Mein Dad war da genau das Gegenteil, klar hatte er auch einige „Hadereien“, aber grundsätzlich war er mit sich und der Welt im reinen und zufrieden.

Vielleicht ist es ja auch eine Chance für sie, wenn ich nicht zu ihr ziehe, der Gedanke kam mir heute so ins Hirn ... denn Du hast Recht, früher oder später muss sie selber ihr Leben in die Hand nehmen und für ihre eigene Zufriedenheit sorgen. Ich hoffe sie schafft’s.

Liebe Andrea,

gerade Deine „Mutter-Meinung“ interessiert mich sehr! ;-) Ich glaube, meine Mutter würde Dir da mehr zustimmen als entgegen reden, würde sie Deine Zeilen lesen. Ich verstehe sehr gut, was Du meinst und bin Dir sehr dankbar dafür, dass Du mir dazu geschrieben hast.

Das mit dem „sich-nicht-mehr-komplett-fühlen“ kann ich schon nachvollziehen, wenngleich auch nicht bis ins letzte Detail. Als mit meinem Freund Schluss war, eine Beziehung in die Brüche ging, hab ich mich genauso gefühlt, einsam, verlassen und nicht mehr komplett. Und als ich das erste mal nach den vier Wochen, die ich bei meiner Mutter verbracht hatte nach Papa’s Tod, wieder alleine in meiner Wohnung aufgewacht bin, habe ich mich auch wieder genauso gefühlt wie nach der Trennung. Gut, der Vergleich hinkt ein bisschen, wenn man verlassen wird, lebt der Verlassende ja noch, aber vom Feeling her war’s dennoch ähnlich. Und da dachte ich mir, „Siehste, alles hat seinen Sinn im Leben. Damals hast Du Dich genauso Sch... gefühlt, aber Du hast es überlebt“ Für mich war es plötzlich stimmig, dass ich verlassen wurde, war so eine Art Training auf das Loslassen meines Vaters ... ich hoffe Du denkst jetzt nicht ich bin total übergeschnappt.

Mein Vater war der wichtigste Mensch in meinem Leben, ich weiß, dass ich ihn auch ein bisschen idealisiere. Ich hatte immer Angst davor, wie es wohl sein wird, wenn er nicht mehr ist. Hatte mich mit dem Gedanken schon von Anbeginn seiner Krankheit beschäftigt. Der Tumor war sehr groß und hatte bereits die Blase infiltriert, er kam ohne künstlichen Ausgang aus, was ohnehin schon fast ein Wunder war, damals. Er hatte fast noch fünf schöne Jahre. Gestorben ist er letztendlich am Wasser, entweder an einer Lungenembolie oder einem –ödem. Meine Mutter hingegen sagt immer, sie hätte immer gedacht, sie würde vor ihm sterben. Dabei ist sie 9 Jahre jünger als er und hat keine derartige Erkrankung. Für mich steht fest, dass sie das immer verdrängt hat.
Ich selber kann mit so Sprüchen wie „es ist besser so“ und etc. bla bla nix anfangen. Aber ich sehe ganz klar, dass meinem Vater vieles erspart blieb. Und damit auch meiner Mutter und mir. Er hat bis zum Schluss gelebt, weniger gelitten. Klar, wohl auch gelitten, aber zumindest konnte er noch viele Dinge machen und hatte Spaß daran. Am Tag vor seinem Tod hat er noch Tomaten gepflanzt, weil meine Mum und ich die so gerne essen ... die hegen und pflegen wir jetzt natürlich wie unseren Augapfel. Er lag also nicht leidend im Bett unter Schmerzen, wenigstens das nicht. Vielleicht hat er geahnt, was passiert, denn ich glaube der Mensch selber merkt, was mit ihm los ist ...

Ich find’s ungerecht und einfach Sch..., dass es so ist, wie es ist. Aber ich kann es annehmen, weil ich weiß, dass es mir selber besser geht, wenn ich das tue. Damit hadern und sich dagegen auflehnen macht ihn nicht wieder lebendig und uns Lebenden hilft es auch nicht weiter. Schreibt sich leicht, lebt sich aber dennoch nicht soooo easy, wie es klingt.

Liebe Andrea, ich finde du bist eine tolle Mutter!

Hallo Susanne,

danke auch Dir für Deine Antwort, für uns war es auch ein herber Schlag. Euere „Wohnsituation“ ist besser als die unsere ;-) Aber ich bin ja auch immer greifbar, was noch ausbleibt, sind die finanziellen Probleme, die geregelt werden müssen. Da lässt sie mich jetzt aber zur Zeit auch außen vor, leider. Aber ich glaube auch, wie Du, dass sie die emotionale Situation innerlich genauso versteht wie Du und ich, es aber nicht zugeben kann, dass es so besser ist für uns beide.

Letztens hat sie gesagt, sie wolle das Haus verkaufen, nicht mehr dieses Jahr, aber vielleicht im nächsten. Ich halte ihre Entscheidung für übereilt und außerdem für eine Trotzreaktion. Sie müsste die finanziellen Probs nicht haben, Geld ist ja da, als Anlage, müsste halt veräußert werden, zwar mit Verlust, aber sie stünde dann ohne Schulden da, hätte ein Dach über dem Kopf, schuldenfrei und genug Geld zum Leben. Letztlich ist es ihre Entscheidung. Ich bin nicht scharf auf Haus oder Geld, ist für mich Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger.

Euch allen viele liebe Grüße, schöne Träume und eine gute Nacht! Karleen
Karleen@gmx.de
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