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Alt 30.06.2005, 00:27
Gast
 
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Standard Keine Chemo !!!

liebe sybille,

stimmt, ich bin die sonja, die ihren vater gehen lassen musste. ich habe nicht das gefühl, dass ich meinen vater verloren habe. ich habe den weltbesten vater. du wirst irgendwann wissen, was ich meine.

ich habe deine frage woanders nicht gelesen. tut mir leid. meinst du, wie wir mit papa über einen wechsel zur palliativstation sprachen?

mein vater starb ja bereits nach 10 wochen. zur diagnosestellung war papa noch fit. täglich ging es bergab. ich habe recht bald mit papa gesprochen. habe papi gefragt, ob er angst hat, ob ihm etwas auf dem herzen liegt, was ihm wichtig ist etc. wir saßen bei diesem gespräch im garten meiner eltern auf einer "sitzmauer" am teich. ich werde es nie vergessen. ich erzählte papa, dass es palliativstationen und hospize gibt. ich habe papa darüber erzählt, wie schön es dort zugeht, wie liebevoll und offen die stimmung ist. ihm gesagt, dass wir dort auch schlafen können und dort niemand schmerzen haben muss. papa beruhigte das. papa war immer ein positiver mensch, der die ereignisse des lebens immer annahm und fast nie haderte. er empfand es als beruhigend, dass es diese einrichtungen gibt. damit war das thema dann aber auch durch. dann ging es mit chemo weiter (papa hatte den unbedingten lebenswillen, wollte kämpfen, zum großen teil wohl für uns). papa baute rasant immer weiter ab, konnte nicht mehr gut essen...ihr kennt das ja. papa musste ab und an wieder ins krankenhaus zur schmerzmitteleinstellung. das erste krankenhaus (diagnose) war besch..., deswegen fuhren wir papa ins "gute" krankenhaus. dort waren die auch hilflos, bekamen die schmerzmitteleinstellung nicht vernünftig hin (selbst ich hätte denen sagen können, wie es besser geht). papi war schon sehr schwach, so dass die ärztin ihm eröffnete, sie könnten nichts mehr für ihn tun. DAS tut mir heute noch so wahnsinnig weh. aber es ging ja nicht anders. sie sagten ihm, er würde nun in ein anderes krankenhaus auf eine palliativstation verlegt. papa wehrte sich nicht, machte ja auch keinen sinn. also wurde papa fremdbestimmt verlagt. das war aber unser aller glück, denn ab da war alles viel entspannter, liebevoller, schöner und v.a. nahezu schmerzfrei! papa war bis zuletzt voll da. wurde nicht abgeschossen, hatte jedoch keine schmerzen mehr. papa hat das ganze team dort ins sein herz geschlossen und sie ihn bestimmt auch. mit seinen scherzen hat er die belegschaft zum lachen gebracht. wir haben papa dort wie zuhause gepflegt. nur, dass wir dort eingebettet waren in ein sicheres liebevolles gefühl samt ärztin.
wir redeten mit papa über alles. ich hielt vor papa monologe über nahtodeserlebnisse, über jenseitskontakte, über die seele, die unsterblich ist etc. ich fragte, ob er das glaube. papa überlegte und sagte, dass er es hoffe und sehen werde. papi hat dinge regeln wollen und die waren ihm auch extrem wichtig. wir dachten nicht, dass es so schnell gehen würde. papa wusste anscheinend durch seine innere stimme mehr. papa ist auch dort noch in die kirche wieder eingetreten, denn so ganz ohne wollte er doch nicht gehen.

dieses gedicht hier stellt das schweigen gut dar:

http://www.lebensgedanken.de/das_schweigen.htm

meine mutter fand es nicht gut, dass ich so offen mit papa sprach. sie meinte, ich hätte ihm ja nicht sagen müssen, was eine palliativstation ist. sie sagte auch, dass ich seine frage nach den chancen mit bsdk anders hätte beantworten sollen (ich sagte sehr diplomatisch, dass einige nicht 2 jahre überleben, dass aber auch leute geheilt werden und dass es mir schwer fiele, mit ihm darüber zu sprechen). meinen papa hätte ich nie und nimmer anlügen können. und ich habe ja schon geschönt. papa schluckte zwar, sagte aber: sonja, wir waren immer ehrlich miteinander und wollen das auch bleiben. ich glaube das ist es, wovon du, ekkehard auch sprichst: ernst genommen werden. verlässliche aussagen, volle unterstützung, aufzeigen von sicherer umgebung ohne schmerzen. kein heidideidi wir reden nicht darüber und dann ist alles nicht so wie es ist. im gegenteil: sich anbieten ist gut. auch mehrfach, denn unsere lieben wollen uns bestimmt schonen. auch, wenn man selber keine antworten weiß auf fragen, z.b. einfach mal das thema leben nach dem tod ansprechen und gemeinsam dazu philosophieren.
ich habe gesehen, dass auf der seite viele viele sehr gute dinge stehen. aber übers reden irgendwie nicht so richtig was.
wichtig ist:
- sich anbieten
- gemeinsam philosophieren
- von nahtodeserlebnissen erzählen (habe papa erzählt, dass unsere eine nachbarin schon zwei mal klinisch tot war und es "drüben" viel schöner fand. ist wahr! drüben soll alles warm und schön sein, liebe soll alles beherrschen und unser dasein hier ist nur die schule für drüben. habe papa gesagt, drüben ginge die party erst richtig los)
- nachfragen (hast du angst vor totsein, vorm sterben, was möchtest du erledigen, wen möchtest du kontaktieren etc.)

ich war nach papas sterben auf einem vortrag. es wurde erzählt, dass man schwerkranke ernst nehmen muss. nicht am krankenbett übers wetter reden und die decke geradezuppeln, sondern fragen: wie geht es DIR? was möchtest DU? was liegt dir auf dem herzen? und erzählen, wie man sein weiteres leben plant. nichts ist schlimmer als dem kranken zu vermitteln, es ginge dann nicht weiter mit dem leben der angehöigen. nicht immer sagen: wir brauchen dich hier. nein, lieber sagen: wir tun alles für dich und sind immer an deiner seite. aber auch: wir müssen und werden es auch so schaffen mit dir MITTEN IN UNSEREM HERZEN. von der eigenen zukunft erzählen etc. unsere lieben wollen irgendwann beruhigt gehen können und nicht voller sorge, ein chaos hier zu hinterlassen.

lieber ekkehard, auf der seite lebensgedanken.de gibt es vordrucke, um wenigstens alle rechtlichen sachen regeln zu können. nachdem was du von deiner familie geschrieben hast, hast du ein richtig warmes nest zuhause. wenn du deine lieben wirklich bittest dir zuzuhören und sagst, es sei dir wichtig, dann werden sie bestimmt den richtigen anstoß bekommen. nimm es ihnen nicht übel, ihre liebe zu dir erschwert es ihnen. aber sage ihnen wirklich ganz ernst, dass es für dich wichtig ist und für sie auch. dann sollte eigentlich alles ins fließen geraten und offener werden.

alles liebe euch beiden.

sonja
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