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Alt 16.12.2005, 20:25
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Gaby Gaby ist offline
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Registriert seit: 23.04.2005
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,

ich habe deine bisherigen Beiträge nun sehr aufmerksam gelesen und möchte dir zunächst sagen, dass es mir sehr leid tut, dass du deine Frau verloren hast, dass ihr den gemeinsamen Kampf gegen die Krankheit verloren habt, dass du nun versuchen musst, mit dem Verlust zu leben und ich wünsche dir alle Kraft, die du benötigst, um in deiner Trauer auch einen weiteren Sinn für dein Leben zu finden.

Ich bin nicht gläubig, heisst ich glaube nicht an Gott. Das sage ich ohne jeden Zweifel, für mich existiert er nicht. Warum? Mag sein, dass ich viel zu realistisch bin, um daran zu glauben, vielleicht habe ich auch schon zu viel erlebt, was mich zu dem Schluss kommen liess, es kann keinen Gott geben.
Aber da hat jeder seine eigene Ansicht und viele Menschen finden gerade in ihrem Glauben den notwendigen Halt, um manches durchzustehen.

Du als gläubiger Mensch solltest aber doch wissen, dass Gott nicht mit sich handeln lässt....nur noch die Feiertage, bitte...was wäre als nächstes gekommen? ..nur noch den Hochzeitstag...nur noch den nächsten Geburtstag bitte? Vielleicht gibt es Gott ja doch und er hat in diesem Fall deine Frau erhört, die sagte...langsam ist es genug... er hat sie von ihren Leiden und Schmerzen erlöst, weil das vielleicht vorrangig war, vielleicht wichtiger als dein Wunsch...nur noch die Feiertage. Sicher hat er dir damit viel Leid zugefügt, aber wieviel weiteres Leid hat er deiner Frau erspart? Mag sein, dass du, wenn du es einmal aus der Sicht deiner Frau betrachtest, auch wieder deinen Frieden mit Gott machen kannst und in ihm Unterstützung für dich findest auf deinem Weg, der vor dir liegt.

Vielleicht bedeutet Liebe auch lernen jemanden gehen zu lassen,
wissen, wann es Abschied nehmen heisst,
nicht zulassen, dass unsere Gefühle dem im Weg stehen,
was am Ende wahrscheinlich besser ist für die, die wir lieben.

Ich habe meinen Partner im Mai verloren, wir haben auch unseren gemeinsamen Kampf gegen den Krebs verloren. Ich bin vielleicht auf meinem Weg durch die Trauer schon weiter, ich sage bewusst, vielleicht, denn an manchen Tagen geht es mir heute schlechter als vor 7 Monaten. Ich habe in einem deiner Beiträge gelesen, dass du nächste Woche bereits mit einer Therapie beginnst. Das ist eine sehr gute Entscheidung und es freut mich für dich, dass du so schnell einen Termin bekommen hast. Ich musste auf meinen ersten Termin 6 Wochen warten, aber seit ich diese regelmässigen Termine habe und mit jemandem, der wirklich neutral ist, über all das reden kann, was mich belastet und traurig macht und nicht schlafen lässt, seit ich weiss, dass diese Phasen der Trauer völlig normal sind und dass es wohl nichts schlimmeres gibt, als wenn man versucht, seine Trauer zu unterdrücken und so zu funktioniere, wie es die Umwelt erwartet, macht es mir auch nichts mehr aus, wenn ich bei unterschiedlichen Gelegenheiten weinen muss. Das ist normal, das ist weder eine Krankheit noch unnormal. Unnormal ist nur, dass unsere Leistungsgesellschaft nicht mit dem Tod und Trauer konfrontiert werden möchte, das es keinen Platz dafür geben soll. Aber glaube mir, es gibt den Platz, man muss ihn sich nur selber einräumen. Und wenn du mal wider das Gefühl hast, es lacht jemand über dich und deine Tränen, dann denke daran, du reagierst völlig normal, es sind die anderen, die spinnen!!

Für mich ist es ein Zeichen von Stärke, wenn Menschen ihre Gefühle zeigen können, besonders Männer, denen ja bereits als Kind eingeredet wurde, das Indianer keinen Schmerz kennen und Jungen nicht weinen. Ich hoffe sehr, dass sich die Erziehung dahingegehend verändert. In unserer Generation ( bin 47 ) war das nun mal so.

Also bleibt stark und normal und lass deine Gefühle heraus.

Ich drücke dir die Daumen, dass die Therapie für dich der richtige Weg istund dir helfen wird.

Lieben Gruss
Gaby
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