Einzelnen Beitrag anzeigen
  #154  
Alt 03.04.2014, 21:03
gaertner gaertner ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.08.2005
Ort: Saarland
Beiträge: 164
Standard AW: Trauernde Männer?

Lieber Robert,

seltsam öffentlich bleibt hier doch ein Ort der persönlichen Erinnerung.
Die Tage war ich völlig erschrocken, dachte es würden 10 Jahre, wo sind die hin? Ahhhh …. , Entwarnung, es sind ja nur neun.
Hier ist immer noch ein Ort möglicher Gleichgesinnter. Wer möchte noch hören, dass ein wunderbarer Mensch nicht mehr auf Erden weilt, außer denen, die Dich wirklich im Herzen haben? Mit wem kann ich die Erinnerungen an Dich teilen?(Familie ausgenommen) Wer kann verstehen, dass das "Nichtmehrwehtuen" ob des Verlustes heute bald schlimmer ist, als die akute Trauer direkt danach? Ich fange wirklich an zu vergessen, lese hier meine eigenen Worte der letzten neun Jahre nach und fange dann an , mich zu erinnern.
M. macht von den Kindern der Familie wohl das beste Abi, S. die Große, hat heute eine Lehrprobe vom Feinsten abgeliefert. Das Leben es geht weiter, S. wusste heute um den Tag, hat sich gefreut, hat Dich bei ihr als Unterstützer gesehen. Sportstunde war es, mit einem Riesenball, Du hast mitgespielt, sie kennt Dich als Ballspieler. Ihr Vater war natürlich auch da, vielleicht nicht ganz so verspielt.
Ich hoffe von meinem ganzen Herzen, dass wir uns alle an einem andern Ort in Zukunft wieder vereinen werden. Mit Deinem Bruder, .... er scheint A. zu mögen. Wir haben uns in J. getroffen und ich denke, alle sehr genossen.
Dein Großvater scheint auch allgemeinen Trends zu entfleuchen, normalerweise spricht man ja von Alters-Starrsinn, bei ihm scheint doch etwas zu reifen. Ist sicherlich auch nicht einfach, die zweite Frau zu überleben, so wie es jetzt scheint.
Meine selbstgewählte Arbeit im Hospiz ist im Wandel. Zwei Jahre bin ich jetzt fast hier, für einen unbefristeten Arbeitsvertrag gefragt wurden, ob ich bereit wäre, ein weiteres Aufgabengebiet zu übernehmen. Da dies punktuell eh bereits (bedingt durch Krankheit eines Kollegen) von mir erledigt werden „muss“, sehe ich dies eher als Bereicherung, denn als Belastung. So sind die Verantwortlichkeiten besser geklärt und es ist vertraglich festgeschrieben wohl auch kein Nachteil für mich, auch in finanzieller Hinsicht. Schließlich darf ich auch egoistisch an mich, wirklich nur an meine Zukunft denken. Auch ich lebe nur heute, will aber morgen wie heute leben. Egoistisch? Ja. Nur wenn es mir gut geht …, Du kennst es bereits. Die Familie ist jetzt 5 Kinder, eine Schwiegermutter und einen Hund groß. Allen soll es an nichts fehlen. Heute. Im hier und jetzt. Was nützt eine große Rente, Sparen etc. Lieber mit warmen Händen...
Trotzdem. Es bleibt ein Nichtbergreifen, dass immer nagen wird. Haben es an einen Gott glaubende Menschen besser? Ich glaube an die allmächtige Kraft der Liebe. Dieser Tage gab es folgendes Erlebnis, ich habe herzlich geschmunzelt. Im Kreis von Teilnehmern eines Vortrages habe ich mich als „Atheist“ geoutet. Vorher habe ich einer Ordensschwester, welche gestürzt war, angeboten, sie nach Hause zu fahren. Als ihr mein „Oouting“ zu Ohren kam, rief sie ganz laut: „ Das Sie ein Atheist sind, hätte ich nie gedacht. Hören Sie (alle), dies ist ein so wertvoller Mensch, er hat mir angeboten, mich wegen meiner Verletzung nach Hause zu fahren.“ Das hat mich außerordentlich berührt, sehe ich mich selber nicht einem bestimmtem Glauben verpflichtet, um einfach nur „Nächstenliebe“ zu geben. Wahrscheinlich ist es aber für eine Ordensschwester nicht mehr Alltag, diese zu empfangen. Im übrigen kennen und schätzen wir uns schon länger. Sr. E. ist ehrenamtliche Mitarbeiterin in unserem Hospiz.
Es tut gut mit Dir zu reden. Sicher siehst Du auch vieles, danke fürs zuhören.

Ich liebe Dich.

Dein Vater
__________________
Jede Lebensphase hat ihren eigenen Wert

und ihr eigenes Glück.


daraus das Beste zu machen

ist der Schlüssel zur Zufriedenheit.
Mit Zitat antworten