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Alt 22.10.2011, 22:36
Micha1974 Micha1974 ist offline
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Standard AW: Meine Mama ist nun ein Engel!

Hallo Ihr Lieben!

Nun ist es schon 3 Monate her, dass meine Mama den kurzen aber schlimmen Kampf gegen den Lungenkrebs verloren hat!

Nach außen hin führe ich seither mein normales Leben doch in mir sieht es ganz anders aus. Ich kenne mich und mein Seelenleben sehr gut und mir war / ist die ganze Zeit bewußt, dass mein Herz versucht, mich vor den Bildern in meinem Kopf zu schützen und eine dicke Mauer drum rum gebaut hat... Doch immer mal wieder stemme ich mich gegen diese Mauer und provoziere meine Trauer!

So wie gerade jetzt! Dann höre ich die Lieder von der Trauerfeier und gehe all die Wochen von der Diagnose bis zum letzten Moment Bild für Bild durch. Mir ist nun klar, dass dies alles ein großes Stück aus meinem Herzen gerissen hat, was nie wieder nachwachsen wird!

Ich denke jeden Tag so oft an sie und kann es im Grunde immer noch nicht fassen, dass sie nicht mehr da ist und so schlimm gelitten hat. Dass sie solche Angst vorm Tod hatte und am Ende so schnell abgebaut hat ist für mich noch schlimmer als dass sie nicht mehr da ist! Denn Eltern sterben nun mal!

Meine Mama hatte wirklich kein schönes Leben, von Kindheit an, und dass sie nicht einfach friedlich einschlafen durfte, läßt mich an der Güte und Barmherzigkeit unseres Gottes stark zweifeln. Ich war zwar noch nie ein gläubiger Mensch, doch ein Funke Hoffnung, dass es ihn gibt und er gerecht ist, war irgendwo immer da! Jetzt klammer ich mich an die Hoffnung, dass sie irgendwo ist, wo sie nicht mehr leiden muss, wo es ihr endlich gut geht! Vielleicht sitzt sie grade mit meinem Papa, der schon vor 17 Jahren gestorben ist, meiner geliebten Katze Nessie und meiner Schwiegermama irgendwo zusammen, und beobachtet mich! Diese Hoffnung lasse ich mir auch von niemanden nehmen!

Nach wie vor mache ich mir große Vorwürfe, dass ich nicht da war, als sie gegangen ist! Aber nach all den Wochen, an denen ich immer bei ihr war und sie bei allem begleitet habe.... Als klar war, es ist fast vorbei, habe ich gekniffen! Ich bin einfach davon gelaufen.... Ich weiß nicht, was sie wegen der starken Morphiumdosen noch mitbekommen hat, aber ich bin überzeugt davon, dass ihre große Angst nicht eine Sekunde betäubt war! Ich hoffe, sie verzeiht mir meine Feigheit! Ich konnte nicht länger da sein und ihr beim sterben zusehen, es ging einfach nicht!

Ich habe "damals", als noch alles gut war, mindestens einmal am Tag mit ihr telefoniert und wirklich alles mit ihr geteilt! Nun rufe ich jeden Tag meinen Stiefpapa an, der ja nun ganz alleine ist! Werner kommt, glaube ich, nur mit der Situation klar, weil er alles komplett verdrängt! Wannimmer wir telefonieren oder ich ihn besuche ist es, als ob meine Mama nie da gewesen wäre! Ich nehme ihm das inzwischen nicht mehr übel, weil ich verstanden habe, dass er es anders einfach nicht verpacken kann.

Bei ihnen im Wohnzimmer zu sitzen und immer den leeren Platz zu sehen, aber nicht darüber zu reden ist sehr hart für mich, aber ich werde es akzeptieren! Ich weiß, dass er weint und leidet, wenn er alleine ist, aber wenn er diese Gefühle nicht teilen oder zeigen will, ist dies seine Entscheidung.

Tut wirklich gut, mal wieder hier zu sein! Wie ist es Euch in den letzten Monaten ergangen?

Liebe Grüße
__________________
Meine geliebte Mama
kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Lebermetas
27.11.1945 - 23.07.2011


"Wenn Engel einsam sind
in ihren Kreisen,
dann gehen sie von Zeit zu Zeit auf Reisen.

Sie suchen auf der ganzen Welt nach ihresgleichen,
nach Engeln,
die in Menschengestalt durchs Leben streichen.

Sie nehmen diese mit
zu sich nach Haus -
für uns sieht dies Verschwinden
dann wie sterben aus."


von
Renate Eggert-Schwarten
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