[LiebesHerz]

Moin Rudi,

schön dass Du Dir ein wenig Abstand suchst. Ein neuer Blickwinkel kann einem eine sehr wichtige Kraftquelle sein. Ich weiß noch dass mein Liebster, an dem Tag als die Diagnose meiner Mutter über uns hereinbrach, mich zu einem Sommerfest schleppte. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und den ganzen Tag im Krankenhaus verbracht unter anderem sechs Stunden in einer eiskalten, da klimatisierten und fensterlosen Notaufnahme. Mir war überhaupt nicht nach Sommerfest. Als wir dann da waren, konnte ich trotz des Schmerzes die Sonne und das bunte Treiben ein ganz kleines bißchen genießen. Ich fragte dann meinen Mann, ob ich mich darüber schämen müsste und der sagte ich müsse mich eher schämen wenn ich das Schöne der Welt nicht mehr sehen würde (wobei schämen hier nicht das richtige Wort ist finde ich).
Ein Standortwechsel weitet den Blick, die Sinne, zeigt Perspektiven.
Vielleicht solltest Du Dir einmal in der Woche einen
Austag nehmen?

Dass Du Dir Sorgen machst wenn deine Liebe viel schläft kann ich verstehen. Ich höre auch immer das Gras wachsen. Wenn meine Mutter über Mattigkeit klagt bin ich sofort in Alarmbereitschaft. Gestern rief sie mich nicht zurück, da fiel es mir sehr schwer, nicht nochmal anzurufen. Ich denke dann immer gleich es ist irgendwas passiert. Wahrscheinlich war sie froh, mal ein bißchen Ruhe zu haben, daheim klingelt nämlich permanent das Telefeon mit besorgten Freunden. Also habe ich nicht angerufen und meinen kontrollzwang versucht auszuhalten ohne ihn auszuagieren.
Rudi, wir sollten gnädig und geduldig uns gegenüber sein und nicht soviel von uns verlangen.

Lass es Dir sehr gutgehen!

Jana