Liebe Annie,
ich schüttle ganz bestimmt nicht verständnislos den Kopf über deine Gedanken und Gefühle. Ich kann dieses Chaos, dass in deinem Innersten herrscht sehr gut verstehen. Natürlich willst du deinem Freund zur Seite stehen und seiner Mutter helfen. Und natürlich ist die ganze Situation unglaublich schwierig und kaum fassbar. Dass du dir manchmal denkst, er soll sich doch um seine Mutter kümmern, ist eine ganz normale Reaktion. Wir sind alle nur Menschen und neigen dazu, schlimme Sachen von uns wegzuschieben. Das ist ein Schutzmechanismus, ohne den wir das Ganze nicht überstehen würden. Mach dir keine Vorwürfe, wenn du solche Gedanken hast. Es ist schon schwierig genug. Auch ich hab in den vergangenen eineinhalb Jahren manchmal den Wunsch gehabt, einfach davonzulaufen. Dem Elend zu entkommen. Aber so funktioniert das eben nicht und ich versuche immer wieder all meine Kräfte zu mobilisieren, um meinem Freund beizustehen. Manchmal geht es leichter, manchmal ist es kaum zu ertragen. Dieses Auf und Ab wird einen immer begleiten. Man lernt damit zu leben, auch wenn man es sich anfangs nicht vorstellen kann.
Ich drück dich ganz fest und schick dir viele kraftvolle und ermutigende Grüße.
Claudia