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Alt 02.11.2006, 14:11
thomue thomue ist offline
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Unglücklich Es sieht nicht gut aus ...

Liebes Forum,

dieser Thread dient wahrscheinlich nicht mehr dazu, gewinnbringende Informationen einzuholen. Leider.

Ich habe hier vor einiger Zeit die Geschichte eines Freundes gepostet, der Ende Mai die Diagnose Speiseröhrenkrebs bekam. Eine erste Chemotherapie (Cisplatin, 5-FU) verlief so desaströs, dass er von weiteren Therapien dieser Art absah und sich alternativen Methoden zuwandte. Ein überaus verständliche, menschliche Entscheidung.

In der Zwischenzeit hat sich vieles verändert aber leider nicht in die richtige Richtung. Lebermetastasen fressen sich durch das Organ, die Größe des Primärtumors ist an einem Punkt angekommen, der die Ärzte über eine Magensonde nachdenken lässt und der Allgemeinzustand, physisch und psychisch, hat sich den beschriebenen Umständen angepasst.

Negativ beeinflusst wird die Tragödie durch Fieberschübe, die pünktlich gegen 14.00 Uhr einsetzen, die Körpertemperatur bis 39° Celsius ansteigen lassen, zwischenzeitlich wieder abklingen und in den frühen Morgenstunden ganz verschwinden. Begleitet durch nächtliche Schwitzattacken, in denen er mit Leichtigkeit vier bis fünf T-Shirts triefnass durchschwitzt. Es ist ein Wahnsinn.

Selbstverständlich fällt auch das Essen immer schwerer, obwohl der notwendige Appetit vorhanden ist. Gottlob leidet er wenigstens aktuell noch nicht über Schmerzen. Ich wünsche ihm von Herzen das das auch so bleibt und vertraue auf die Errungenschaften der Palliativ- und Schmerzmedizin.

Krebs ist keine Krankheit, Krebs ist ein Monster, ein unfairer Drecksack, der sich durch Täuschung und Tarnung jedem Duell entzieht und den Wirt solange zermürbt bis dieser final die Flügel streckt.

Natürlich wünschen sich alle Angehörigen und Freunde, dass es doch noch zu einem "Turn-Around" kommt, dass ein Wunder geschieht, eine Spontanremission eintritt oder ein Wundermittel aus dem Hut gezogen wird. Nur sind diese Gedanken, Wünsche und Hoffnungen realistisch?

Ganz klar: Sie sind es nicht. Zumindest nicht im Rahmen wissenschaftlich fundierter Studien.

Bleibt also die Frage aller Fragen. Wie lange noch? Auf diese Frage wird jedoch kein Mensch, der sich seriös mit der Thematik auseinandersetzt, eine Antwort parat haben. Irgendwie scheint Krebs grundsätzlich eine Krankheit zu sein, die mit der Beantwortung von Fragen sehr sparsam umgeht.

Die Ärzte im Krankenhaus, die ihn aktuell mit einer Aufbaukur versorgen (Bluttransfusion, "Astronautenkost", Vitamine, etc.) haben es wahrscheinlich und unbewusst auf den Punkt gebracht: "Wir verabreichen ihnen jetzt noch zwei, drei Infusionen, damit sie auf schnellstem Wege wieder nach Hause können".

Von einer evtl. Wiederaufnahme der Chemotherapie, einer Operation oder anderen Maßnahmen spricht niemand mehr. Somit dürfte auch die Ausdehnung der verbleibenden Lebensspanne arg begrenzt sein.

Und dann war da noch der Tag, an dem es an meiner Tür klingelte. Ein junger Mann stellte sich vor und pries ein Nahrungsergänzungsmittel an. U.a. sollte es neben vielen gewinnbringenden Eigenschaften auch die haben, bei "bestimmten Krebsarten" zu einer Heilung zu führen. Natürlich nur "unter uns".

Nein, ich habe nur die Tür zugeknallt.

Aber ich hätte gerne mit meiner Faust sein Nasenbein zertrümmert und mit seinem feisten Oberlippenbart den Flur gewischt. Ich war ausser mir vor Zorn. Wie gedanken-, skrupel- und taktlos muss man sein, um das grausame Elend kranker Menschen als Verkaufsargument auszuschlachten? Das ist kein Faux Pas, keine von Taktik geprägte Klugheit - das ist widerlich und abstoßend. Wie kann man nur?

Wie am Ende jedes Artikels, wünsche ich meinem Kumpel und seinen Eltern auch jetzt unendlich viel Kraft und Gottes Segen! Nicht als Phrase oder lieb gewonnene Verabschiedung, sondern von ganzem Herzen.

Möge sich die Wissenschaft doch an dieser Stelle irren. Er hätte es verdient!

Liebe Grüße,

thomue.
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