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Alt 09.12.2012, 07:53
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Geht's Euch auch so?!

Guten Morgen Sanna,

das glaube ich dir gern, die Gedanken kreisen unaufhörlich und nichts von alldem, was man da denkt, bringt einen irgendwie weiter bzw. ist tröstlich. Ich kann auch sehr gut verstehen, dass der Gedanke an das Hospiz dich beunruhigt, da du es als letzte Station ansiehst.

Als mein Papa Anfang des Jahres auf der Palliativstation lag (nachdem er einen Oberschenkelhalsbruch hinter sich hatte) und mir bewusst wurde, dass nichts mehr bei ihm eine Besserung herbeirufen konnte, ging es mir auch richtig schlecht. Ich bekam so eine irrationale Panik, dass wenn er stirbt, er dann ja allein gehen müsse, während Mama, meine Tochter und ich zusammen bleiben. Diesen Gedanken konnte ich nicht ertragen. Frag mich nicht weshalb, ich weiß, es war alles irgendwie unlogisch, doch das passt zu den Deals mit "wenn ich beim Hüpfen nicht über die Stein trete, dann passiert dieses und jenes nicht..." Also bestellte ich mir kurzerhand zwei Bücher von Elisabeth Kübler Ross und die verschlang ich dann. Und sie haben mich getröstet, die Worte von Frau Kübler Ross. Sie schreibt, dass wir alle einen Schutzengel oder Geistführer (wie auch immer wir das nennen wollen) haben, der uns unser ganzes Leben begleitet. Auch bis in den Tod hinein, denn er weicht niemals von unserer Seite. Man könne ihn auch rufen und wenn man Glück habe, zeige er sich. Genau das habe ich dann getan. Ich wollte nicht nur glauben, dass mein Papa so einen Begleiter hat, ich wollte es wissen. Und er hat mir ein Zeichen gesandt... Da war ich sicher und du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mich das beruhigt hat. Wenn mein Vater schon gehen musste, dann wenigstens nicht allein... Ich habe am folgenden Tag mit meinem Papa darüber gesprochen. Ich sagte ihm, dass ich nun weniger Angst hätte, da ich wüsste, sein Schutzengel sei Tag und Nacht bei ihm. Eigentlich sind wir keine sehr gläubigen Menschen, doch es gibt so einige christliche Elemente, die mich trösten konnten.

Warum ich dir das alles erzähle? Ich könnte mir vorstellen, dass zu deiner Verzweiflung und Traurigkeit auch Ängste kommen. Wie soll das alles werden, wie kannst du überhaupt ein Leben ohne Georg leben. Und allein bei dem Gedanken daran, kommt umgehend das schlechte Gewissen hoch. Wie kann man nur so etwas denken? Sanna, es sind tausende von Abschieden, die du bereits genommen hast und sie führen dich zu dem Ende des Weges. Ich wünsche dir von Herzen, dass dir noch gute Momente mit Georg bevorstehen. Momente, in denen er klar und bei Bewusstsein ist, ihr miteinander sprechen könnt. Aber selbst, wenn dem nicht so sein sollte, manchmal braucht es keine Antwort und Sprache, um sich auszudrücken. Manchmal reicht ein Blick oder ein schwaches Lächeln, ein Händedruck.

Ich zünde jetzt zwei Kerzen an, eine für dich und eine für Georg und wünsche euch trotz aller Traurigkeit einen schönen zweiten Advent. Fahr vorsichtig, denn selbst hier im platten Norden hat's geschneit und schneit es noch!

Ich umarme dich
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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