Thema: Tumormarker
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #2  
Alt 29.09.2006, 22:10
Michael_D Michael_D ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 28.11.2005
Beiträge: 200
Standard AW: Tumormarker

Liebe Petra und alle übrigen Interessierten,

dieses Thema ist (wie viele andere in diesem Kontext) leider überaus komplex. Grundsätzlich gilt: bis heute ist die Bestimmung der meisten Tumormarker-Spiegel im Screening bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Prostatakarzinom) wertlos. Die entscheidende klinische Bedeutung der Tumormarker liegt in der Verlaufskontrolle nach Operation bzw. unter Radio-, Chemo- oder Hormontherapie maligner Tumoren. Im günstigen Fall spiegeln regelmäßige Messungen der Tumormarker mit einer Vorzeitigkeit („lead time“) von einem bis sechs Monaten vor anderen klinischen Methoden das Tumorverhalten wider (Quelle: Tumor-Manual (2006)).

Grundsätzlich ist (bedauerlicherweise) festzuhalten:

1. Ein postoperativer Markerspiegelabfall bis zur Normalisierung innerhalb von einem Tag (CYFRA 21-1, SCCA, ProGRP, NSE) oder einer bis drei Wochen (CEA) in Abhängigkeit von der physiologischen Halbwertszeit des Markers (Abklingquote) ist typisch für eine vollständige Tumorentfernung. Unter einer Chemotherapie spricht ein Abfall für ein Ansprechen auf die Therapie, die Werte fallen aber im Allgemeinen langsamer ab als nach einer operativen Tumorentfernung.

2. Ein fehlender oder nur geringfügiger Markerspiegelabfall mit anschließendem Wieder- oder Weiteranstieg kann Hinweis auf einen Residualtumor, eine Metastasierung bzw. ein Therapieversagen sein.

3. Ein oft vorzeitiger Markerspiegel-Wiederanstieg (ausgehend von den individuellen Basiswerten, somit unabhängig von dem sog. Referenzbereich) nach erfolgter Normalisierung und nach vermeintlich kurativer Resektion ist verdächtig auf ein Tumorrezidiv.

Obligat für die Verlaufsbeobachtung ist die Beibehaltung der gleichen Methodik zur Bestimmung der tumorassoziierten Antigene (Angabe von Hersteller und Testsystem in Befund und Arztbrief ist deshalb zwingend erforderlich). Bei einem notwendigen Wechsel der Methodik muss zum Auffinden der individuellen Basiswerte über ein bis zwei Untersuchungsintervalle die neue mit der alten Methodik parallel vermessen werden.

Serologische Tumormarker beim Lungenkarzinom sind weder ausreichend spezifisch noch sensitiv für diagnostische Zwecke, also für Screeninguntersuchungen nicht indiziert. Ihre Bedeutung liegt jedoch in der Einengung des möglichen histologischen Typs, der Definition des Ausmaßes der Erkrankung und damit der Prognose sowie der Überwachung des Therapieansprechens mit Hinweisen auf ein Rezidiv oder Metastasen. Von den serologischen Tumormarkern haben beim Lungenkarzinom der Zytokeratinmarker CYFRA 21-1, die neuronenspezifische Enolase NSE, das ProGRP, das CEA und das SCCA eine wichtige Bedeutung erlangt.

Zu den jeweiligen Markern ist zu sagen:

In der Mehrzahl der Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC (Stadien IIIA–IV) spiegelte der Verlauf des CYFRA 21-1 die Effektivität der Chemotherapie wider. Ein kontinuierlicher Anstieg der Tumormarker wies praktisch immer auf ein Fortschreiten der Erkrankung hin. Daher sollten im Verlauf (über mehrere Messungen) ansteigende CYFRA 21-1-Spiegel zu einem früheren Abbruch einer ineffektiven Chemotherapie führen. In der Nachsorge insbesondere der operablen NSCLC-Patienten, die zum Zeitpunkt der Primärdiagnose und -therapie CYFRA 21-1-positiv waren, zeigt CYFRA 21-1 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zeitgleich und oft bereits bis zu einem Jahr früher ein Rezidiv bzw. eine Metastasierung an.

Der NSE-Wert hat eine zu geringe Aussagekraft für einen Nichtkleinzeller.

Es besteht eine signifikante Korrelation zwischen Höhe und Häufigkeit pathologischer Spiegel und Tumorausbreitung sowie dem klinischen Stadium und eine prognostische Bedeutung prätherapeutischer Spiegel zum Überleben
in bezug auf den CEA-Wert. Im Verlauf konnte eine Korrelation zwischen dem Abfall der CEA-Werte und einer Remission bzw. einem Ansprechen auf die Therapie gesichert werden. Auch bei diesem Tumormarker weist ein kontinuierlicher Anstieg auf eine Progression des Tumorleidens bzw. ein Therapieversagen hin.

Liebe Petra, in Deinem Fall besteht eine gewisse Eignung der Tumormarker für eine Verlaufsprognose. Der Anstieg der Tumormarker deutet leider (statistisch signifikant) auf eine Progression hin. Der Anstieg der Tumormarker ist daher zumeist zeitlich vor dem Erkennen einer Progression in bildgebenden Verfahren.

Allerdings sind all diese Aussagen mit der üblichen Vorsicht zu genießen. Es wäre z.B. in meinen Augen sehr gut möglich, daß der Anstieg der Marker mit dem Geschehen in Deinem Bein zu tun hat. Niemand weiß es.

Man darf davon ausgehen, daß die Ärzte in Essen all dies genau wissen. Wenn sie sich trotzdem gegen eine Chemo entscheiden, dann werden sie sicher gute Gründe dafür haben. Du kannst den Sachverhalt ggfs. einmal ansprechen, daß Du Dich vor einer weiteren Progression fürchtest, und daß die Tumormarker darauf hindeuten.

Alles in allem sind steigende Tumormarker grundsätzlich kein gutes Zeichen. Wie "schlecht" sie sind, muß die Zukunft zeigen. Wenn keine Chemo gemacht wird, ist eine engmaschige Kontrolle angeraten (CT alle 3 Monate?), damit man schnell reagieren kann, wenn sich irgendwo neues Tumorgeschehen manifestiert.

Es grüßt Dich wie immer ganz besonders herzlich:
Dein Michael

(Die Details sind z.T. wörtlich ohne entsprechende Kennzeichnung aus Manual - Tumore der Lunge und des Mediastinums, München 2006, entnommen.)

Geändert von Michael_D (29.09.2006 um 22:14 Uhr)
Mit Zitat antworten