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Alt 11.07.2009, 10:02
benzo1970 benzo1970 ist offline
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Standard AW: Ziemlich alleingelassen

Hallo Silvia !

Dein Schicksal und das Deines Mannes ist sehr schlimm und ich will Euch nicht mit dem "üblichen Mitleid" belästigen, weil Ihr die Kraft nur aus Euch selber schöpfen könnt - und das jeder für sich.

Ich bin selber betroffen, bin 39 J, habe eine Freundin seit 6 J, die hat 2 Kinder und ich habe mit meiner Ex 3 Kinder. Lebe seit 1,5 J in der Schweiz. Ich hatte ohne Vorwarnung nachts einen EPI-Anfall, Notarzt, Krankenhaus, Röhre - Diagnose Hirntumor zum Glück vermutlich niedergradig und das grösste Teil operabel - bin jetzt zu Hause, nehme starke Medikamente und muss auf den OP-Termin warten, das dauert, weil die für die OP noch ein paar Gefässspezialisten brauchen. Es ist alles möglich bei mir von völliger Gesundheit bis Tod über schwere Behinderungen.

Das alles konnte mich aber nie besonders schocken. Ich hatte nie richtig Angst davor, und ich wollte die OP vom ersten Moment an durchziehen, alles andere wäre feige, ich habe hier noch einen Job zu erledigen !

Meine Lebenseinstellung habe ich schon seit einigen Jahren - bin sehr katholisch erzogen worden, habe damit aber nur noch wenig am Hut. Bin der Meinung dass es Gott schon gibt, aber keinen christlichen, sonst würden alle Moslems, Hindus,usw umsonst leben. Bin ganz sicher dass es ein Leben nach dem Tod gibt und habe davor keine Angst. Wenn ich mir die Menschheitsgeschiochte so ansehe denke ich dass es keinen Unterschied macht ob ich mit 39 an einem Hirntomor sterbe oder vielleicht mir 81 an Lungenkrebs - der Einzige Unterschied ist, dass ich mit meinem Leben noch lange nicht fertig bin und noch viel zu tun habe hier unten. Und sollte ich doch vorzeitig nach oben wechseln, muss niemand für mich beten, dann bekommt der da oben mit mir ein Problem ! Das einzige was für mich wichtig ist, ist meine Freiheit die ich gerne mit anderen teile, und, dass es mir gut geht mit mir selbst klarkomme.

Was mich aber richtig fertig gemacht hat, war der Effekt auf meine Angehörigen, Kinder und Freunde. Ich habe eine riesengrosse Welle an Sympathie, Mitgefühl und auch Angst mitbekommen, das hat mich wahnsinnig beeindruckt und auch nachdenklich gemacht. Mich haben Leute angerufen, die ich seit Jahren vernachlässigt habe, und von denen ich gedacht habe, es liege ihnen nichts an mir, das hat mich zum Teil zu Tränen gerührt. Was auch wichtig war für mich waren meine 5 Kinder von 10 - 15 Jahren. Als ich den EPI Anfall hatte war meine Freundin bei ihren Eltern, es waren nur die beiden Kinder da, ich hatte Sabine 11J nach einem leichten Anfall geweckt und ihr erzählt, ich habe da ein Problem was vermutlich aus dem Gehirn käme, und wenn ich das wieder habe könne es sein dass ich nicht mehr reden kann und komisch zucke - dann müsse sie einen Rettungswagen organisieren, habe einen Schlaganfall oder sowas ähnliches vermutet - 2 Minuten später war es soweit, und sie und ihr Bruder haben einen grossarigen Job gemacht, aber leider habe ich sie damit wahnsinnig geschockt, auch weil ich sie dabei am Arm zu Fassen bekam und ich konnte sie nicht mehr loslassen. Das waren sehr lange Gespräche für uns beide, damit sie damit klar kam. Die letzte zeit habe ich meine Familie auf den schlimmsten Fall vorbereitet, und ich bin sehr froh darum, dass wir über alles gesprochen haben, und sie alle meine Einstellung teilen. Wir haben jetzt vor der OP eine der harmonischsten Tage meines Lebens, und auch dafür bin ich sehr dankbar und ich schöpfe daraus noch viel mehr Kraft, Ruhe und Gelassenheit und das ist nicht gespielt.

Ich weiss nicht so richtig ob ich Dir mit meiner Geschichte helfen kann, ich möchte dir gerne was von meinem Lebensmutund meiner Gelassenheit abgeben. Das Leben ist irgendwie wie Kajak-Fahren auf einem wilden Fluss, wenn Du steuern und lenken willst, musst Du schneller sein als der Fluss, Du musst paddeln, dann schaffst Du das !

Viele liebe Grüsse aus der Schweiz !

Thomas
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