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Alt 27.01.2016, 17:09
Rosarose Rosarose ist offline
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Beitrag Vater Lungenkrebs - Mutter Stressfaktor

Hallo ihr Lieben!

Ich bin neu hier und generell wende ich mich zum ersten Mal an ein Forum, da meine Verzweiflung unerträglich wird.
Gleich zum Thema: Mein Vater bekam vor vier Monaten die Diagnose Bronchialkarzinom mit Metastasen verteilt in beide Lungenhälften und Nebennieren. Inoperabel, ohne Heilungschancen.
Da ich 200km weit weg wohnte bin ich natürlich sofort am Folgetag in die Heimat gefahren um nicht nur meinen Vater beizustehen sondern vor allem auch meiner Mutter, die völlig aufgelöst und nur am weinen war. Völlig klar...
Während mein Vater die ersten zwei Wochen nach Diagnose noch stationär war, blieb ich die erste Woche in der Heimat, schlief neben meiner Mutter, redete viel mit ihr und nahm sie Nachts in den Arm, da sie kaum ein Auge zu machte und tagelang nur weinte und mich jedes Mal aufs Neue fragte, was sie denn ohne ihn machen solle. Es tat weh sie so zu sehen aber ich wusste, ich musste für sie und meinen Vater stark sein.
Ich versuchte sie so gut wie möglich abzulenken und auch im Krankenhaus tat ich mein Bestes beide wenigstens ein paar Mal zum Lachen zu bringen...

Nun ja, zu dieser Zeit war die familiäre Bindung wirklich stark, was sie sonst nie war. Während mein Vater immer noch im Krankenhaus war, musste ich allerdings irgendwann wieder zurück. 200km entfernt, arbeitsbedingt. Meine Mutter wollte nicht, dass ich gehe, wollte nicht alleine sein.
Da ich sie nicht so traurig sehen konnte und wollte, beschloss ich zurück in die Heimat zu ziehen - glücklicherweise konnte ich vom Unternehmen versetzt werden und schraubte gleichzeitig meine Arbeit auf 450€ Basis runter, damit ich unter der Woche bei meinem Vater sein konnte und meine Mutter gewöhnlich und im Gedanken, dass jemand zu Hause ist ihre Arbeit fortsetzen konnte.

Er ist also zu Hause und bekam auch Chemotherapie.
Nun zum eigentlichen Problem (Sorry für diese lange Vorgeschichte):
Seit er zu Hause ist und nur noch ambulant in KH muss, dreht sie völlig am Rad. Sie ist kräftig am verdrängen, möchte nichts von der Realität wissen und ist für mich und vor allem meinen Vater ein Stressfaktor geworden.
Sie zwingt ihn Sachen zu essen, zu trinken, zu probieren...was er gar nicht möchte. Zum Beispiel kaufte sie Orangen um ihm jeden Tag frischen Orangensaft zu pressen, stellte es ihm vor die Nase und er MUSSTE es trinken. Jedes Mal dieses MUSS und dieser Druck. Mein Vater wird nur noch aggressiv und verzieht das Gesicht wenn er nur die Orangen im Einkaufskorb liegen sieht.
Dazu sollte man sagen, dass meine Mutter sehr abergläubisch ist (Asiatin) und an alles glaubt, was im Internet steht und für eine Heilung spricht - so denkt sie helfen frische Orangen ihm mehr als die Chemo etc. ...
Nun hat sie Holunderblütensaft, Aloe Vera und diverse Teesorten für sich (oder meinen Vater) entdeckt...Mein Vater kann so oft sagen er will das nicht, ihm schmeckt das nicht...Das ist ihr egal. Sie tut das, was SIE für gut befindet. Und jedes Mal artet eine riesige Streiterei aus, da sie ihm mit aggressiven Ton und Nachdruck ihn zwingt, alles zu sich zu nehmen was sie ihm hinstellt. Unter dem Motto "Das hat viel Vitamine, das hilft dir gesund zu werden" und wenn er es verneint, kommen so Kommentare wie "Du Dickkopf , du willst nur sterben. Nichts probierst du". Sie versteht auch nicht, dass ein warmer Tee gegen seine krebsbedingte Husterei nichts hilft und er selber möchte nie Tee. Er trinkt lieber Apfelschorle, was aber laut meiner Mutter ja viel zu kalt für seinen Hals wäre. Sie behandelt ihn, als hätte er einfach nur eine üble Erkältung.

Mein Vater ist diesem Stress ausgesetzt, da sie sich natürlich immer gegenseitig fertig machen, weil sie ihn zwingen möchte und er aber nicht will. Mein Vater tut mir einfach nur Leid und natürlich stehe ich ihm dann immer zur Seite und versuche meiner Mutter klar zu machen, dass sie ihn doch Essen und Trinken lassen soll, wann was und wie viel er möchte. Und, dass sie ihn doch nicht immer zwingen könne, das zu tun, was sie für am Besten hält. Denn das was für sie am Besten findet, ist ja nicht immer das Beste für meinen Vater...
Wenn sie unter der Woche arbeiten ist und ich mit meinem Vater alleine bin ist es immer sehr angenehmen, es ist ruhig, keiner schreit oder streitet...
Ich frage ihn immer ob er was möchte und er sagt mir immer von selber wenn er was will oder braucht und das besorge ich ihm dann auch. Wenn er ein Schokocroissant statt normale Brötchen will, dann erfülle ich ihm den Wunsch auch, denn ich will ihm wenn möglichst alles so angenehm wie möglich gestalten.
Meine Mutter treibt mich in den Wahnsinn, einkaufen mit ihr ist unmöglich (nur noch Bio, soll ja auch helfen), ich weiß einfach nicht mehr was ich tun soll. Mein Vater und ich stehen dadurch sehr unter Stress, jedes Mal kriegen wir uns mit ihr in die Haare. Mein Vater tut mir so Leid, denn ich möchte einfach nur, dass sein letzter Lebensabschnitt so angenehm wie möglich verläuft...
Die Chemo wurde im Januar abgesetzt, da der Tumor weiter gewachsen ist. Er bekommt nun die Immuntherapie mit Nivolumab und hat morgen einen Termin bei der Strahlenklinik.
Seit es sich vergrößert hat, stopft sie ihn noch mehr mit Dingen, die er nicht möchte.
Während ich jedes Mal versuche ruhig auf sie einzureden, dass das meinem Vater psychisch nicht gut tut (hat er mir selber gesagt) und ich ihr auch schon versucht habe sich an eine Betreuung zu wenden kommen nur aggressive Kommentare auf mich zurück.
Mir tut das weh, weil ich genauso viel Kraft und Energie in alles hineingesteckt habe. Die familiäre Bindung die in den Anfangswochen herrschte ist komplett zerbrößelt...es ist als hätte sie vergessen, wie sehr ich anfangs für sie da. Ich sehe keinerlei Dankbarkeit dafür, dass ich wieder zurückgezogen bin oder überhaupt für die zwei da bin...
Und wenn ich ehrlich bin, bin ich auch nur noch wegen meines Vaters da, denn ich möchte ihn damit nicht alleine lassen.

Er hat nun Stadium IV erreicht und meine Mutter verdrängt immer noch, sie macht sich keinerlei Gedanken über spätere Maßnahmen und sieht der Realität kein bisschen ins Auge. Ich meine, man muss sich doch damit auseinandersetzen wie es weiter geht oder nicht?
Ich weiß, man sollte die Hoffnung nie aufgeben und ich glaube auch an Wunder. Aber trotzdem bereite ich mich schon Mal darauf vor, was noch alles auf uns zukommen wird. Ich möchte eben so gut es geht auf all die Dinge vorbereitet sein, die noch passieren werden. Sollte es schlimmer oder sollte es besser werden.

Ich verstehe auch, dass meine Mutter riesige Angst hat und es nicht wahrhaben möchte. Aber muss man deswegen der Familie das Leben noch schwieriger machen? Muss man es vor allem meinem Vater noch schwieriger machen? Ich weiß nicht mehr weiter, denn auch meine Kräfte sind langsam ausgeschöpft. Ich möchte meinen Vater das Leben so einfach wie möglich gestalten, nur stellt sich meine Mutter dem in den Weg. Obwohl sie es wahrscheinlich nicht mal merkt...Sie möchte wahrscheinlich das Richtige tun und ihm irgendwie möglich helfen. Aber das tut sie nicht...Mein Vater und ich wissen nicht mehr weiter und es wird nur schlimmer

Das ist jetzt doch sehr sehr lange geworden, aber es tat mal gut alles von der Seele zu schreiben. Danke an alle, die sich die Zeit dafür genommen haben und ich hoffe jemand kennt das aus persönlichen Erfahrungen und kann mir Tipps geben.
Dankeschön!

Liebe Grüße
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