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Alt 06.09.2002, 17:38
Gast
 
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Standard Partnerschaft / Sexualität

Grüezi zämme!
Liebe gibt, aber fordert nichts!
Um gleich auf die Frage von Robie einzugehen, wie es mir mit dem Gedanken ginge, mit einer krebsbetroffenen Frau eine Beziehung anzufangen:
Grundsätzlich, wenn ich einen Menschen aus dem Herzen spüre, denn frage ich nicht, wer er ist, was er hat. Das stellt für mich keine Hürde dar. Weil ich mich mit dem Menschen auseinander setze, oder besser gesagt mit dem Gegenüber.
Natürlich ist es mir bewusst, dass Krebspatienten von ihrer Situation her verschiedene Problematiken aufwerfen. Das kann man ja hier im Forum sehr gut nachlesen. Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass z.B. bei brusterhaltenden oder nicht-erhaltenden Operationen im Umgang mit Nähe unterschiedliche Schwierigkeiten auftreten können.
In einer solchen Beziehung braucht es ein tieferes Verständnis und eine Auseinandersetzung, was ja in einer sogenannten "normalen Beziehung" schon wichtig wäre. Ich erachte es als wichtig, dass Mann/Frau zusammen eine Beziehung hat, nicht aus Mitleid, Schuldgefühlen oder Abhängigkeit, sondern gegenseitiger Achtung, Vertrauen und Verständnis.
Ich lebe lieber eine Beziehung, wo ich diese Auseinandersetzung ausleben darf, als über Schminke, Porsche, Staubsauger, Wer-mit-Wem-Probleme-hat, welche Strümpfe man trägt, oder ob jetzt die Frau oder jener Mann schöner ist, welche Fussballmanschaft gewinnt, wer gerade Weltmeister wird oder nicht, ob dies Gold oder jene Aktie besser ist, welche Versicherung gerade aktuell ist oder nicht, hauptsächlich zu reden habe. All diese Dinge sind doch oftmals eine Ablenkung von einem selber. (Selbstverständlich braucht man hin und wieder eine Ablenkung. Ich auch.) Grundsätzlich sind mir diese Dinge egal, hauptsächlich es geht mir mit dem betroffenen Menschen gut. Und ich kann lachen, kochen, spielen, diskutieren, lernen, so wie Tiefs und Hochs durchleben, und mit meiner sechzehnjährigen Tochter Auseinendersetzungen führen.

Als ich dreizehen oder vierzehn Jahre alt war, kam ein ganz bekannter Film im Kino, welcher hiess "Love Story". (Liebe gibt, aber fordert nichts!) Von diesem Moment an haben mich diese Themen angefangen zu beschäftigen. Marlies gebe ich recht, denn in uns steckt Leben und Tod. Nur muss man versuchen, die Balance zu halten, zwischen dem Leben und dem Tod. Ich schaue den Krebs so an, dass er eine sehr negative Balance, (oder man kann es auch Zeitalter nennen) bedeutet. Leute mit Krebs müssen eigentlich das austragen, was unsere Gesellschaft, unsere Umwelt oder unsere Umgebung produziert. Deshalb habe ich auch das Gefühl, dass man das Thema Krebs (sowie Aids, Behinderte und Suchtmittel, Sexualität usw.) tabuisiert.
Meistens fallen auch Krebsbetroffene In unserer Gesellschaft ins untere "Glied", das heisst, viele können zu Sozialfällen werden, was ich immer wieder gut beobachten kann. Îhr seelisches Gleichgewicht fällt gerne zusammen, aber unsere Gesellschaft müsste diese ja wieder auffangen oder mitunterstützen können, was leider momentan abgebaut wird. Alles was nicht glänzt, wird so tabuisiert.
Und um zum Thema zurück zu kommen: Und Sexualität glänzt nur, wenn die Kasse klingelt.

Entschuldigung, ich bin sehr weit ausgeschweift, aber ich versuche, das Ganze immer im Gesamten anzuschauen (Selbstverständlich aus meiner Sicht).
Die Themafrage wollte ich mit Brigitte aufsetzen, weil die Auseinandersetzung hier gefehlt hat (für die Gesamtheit). Auch dass Leute, die ja nicht hier schreiben, aber vielleicht negative Erfahrungen gemacht haben, durch positive Berichte Mut bekommen, eine bestehende Beziehung vertiefen, oder mit neuem Mut eine neue Beziehung wagen.
Aus negativen und positiven Erfahrungen können die Betroffenen und Nicht-Betroffenen auch lernen, damit umzugehen.

Wau! Ist dieser Text aber lang!
Liebe Grüsse
Christoph (an Brigittes Computer geschrieben)

PS. Gedanke: Würde man diese Energie und Initiative, wie bei den derzeitigen Flutopfern (was ich übrigens sehr toll finde!), auch bei den Krebspatienten aufbringen, dann wäre dieses Thema mit allem drumherum schon lange kein Tabuthema mehr.

PS 2: Robie, wenn das Geschriebene zu wenig tief wäre, bitte frage einfach weiter. Ich werde sicher antworten, sobald es möglich ist.
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