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Alt 09.06.2014, 13:13
Maigloeckchen Maigloeckchen ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs... unsere Zeit ist fast abgelaufen

Hallo zusammen,

die letzten Tage / Wochen waren ziemlich verrückt. Unsere "Jüngsten" hatten letzten Samstag ihren großen Tag und Jugendweihe. Mir kommt es vor, als wäre seither eine Ewigkeit vergangen. Die Feier war unheimlich schön, wir hatten prima Wetter und die beiden "Kleinen" sahen umwerfend aus. Ich habe in den Tagen davor und drumherum versucht, es Allen so schön, wie möglich zu machen.
Meine Mama hatte vor zwei Wochen Geburtstag. Sie hat auch nach neun Jahren Stille Kontakt mit ihrer Schwester aufgenommen (sie selbst) und diese hat sie sofort besucht, sie hatten sich viel zu erzählen und waren beide glücklich über das Wiedersehen. Auch zur Feier letztes Wochenende war meine Tante wieder da. Meine Mama hat die Jugendweihe leider verschlafen, sie war erst spät Nachmittags eine kurze Zeit wach, saß mit der gesamten Familie und Freunden der Familie draußen in der Sonne und hat etwas Kuchen gegessen. Erst am Sonntag saß sie plötzlich morgens draußen auf der Bank und war beim Frühstück total traurig und verzweifelt, dass sie die Jugendweihe verpasst hat. Wir haben ihr die vielen Bilder gezeigt und die Kids sind danach mit ihr ein paar Stunden spazieren gegangen, sie wollte unbedingt in die Pilze. Dieser Gedanke war immer präsent, wie vor einigen Wochen, als sie unbedingt einkaufen fahren wollte, weil für die Feier noch viel zu erledigen sei. Beim Einkauf hat sie damals (lasst es vier Wochen her sein) nochmal alle Kolleginnen gesehen und versprochen, dass sie bald wieder da sei. In den Wald konnten wir schlecht mit ihr fahren, aber die Kinder haben das toll gemacht und waren zumindest am Waldesrand mit ihr. Ich könnte sie küssen dafür.
Mein Mann und ich brauchten dringend ein paar stille Minuten für uns und haben die vergangene Woche an der Ostsee verbracht. Letzten Sonntag haben wir aber noch gewartet, bis meine Mutter wieder von ihrer Spazierfahrt zurück war. Sie war müde und zufrieden, denke ich.
Wie das Schicksal manchmal die Karten legt, haben wir einen Hospizplatz bekommen, kurz bevor meinem Vater die Energie ausging. Am Sonntag versprach ich ihr, dass wir sie in einer Woche besuchen würden (also gestern) Letzten Dienstag wurde meine Mama dann abgeholt, sie war nur morgens wach, als die Pflegerin zum Waschen dort war.
Meine Schwestern und unser Vater haben sie besucht, es war jeden Tag jemand da, meine Mutter war aber fast nie ansprechbar.
Gestern früh haben wir uns auf den Weg gemacht, sie zu besuchen - die Hitze unerträglich. Gegen zwei Nachmittags waren wir im Hospiz. Das Hospiz und das Zimmer hatte ich mir schon angesehen, bevor meine Mum dort einzog. Sie bekam ein Zimmer im Dachgeschoss, Ostseite mit einem wunderschönen Licht am Morgen. Das Zimmer war schön hell und liebevoll eingerichtet.
Zwei Stunden waren wir bei ihr, in dieser einen Woche hat sie sich nochmal extrem verändert. Sie ist vor einer Woche nochmal gestürzt und die Wunde am Kopf war wieder offen. Ich war glücklich, dass das Rasseln beim Atmen weg war, aber ich hab auch sofort gesehen, dass sie ganz schlecht Luft bekam. Ich bin Asthmatikerin und kenne diese verkrampfte Schnappatmung von meinen Anfällen. Zwischenzeitlich atmete sie Ewigkeiten gar nicht. Die Schwester hat uns erzählt, dass sie inzwischen nicht mehr isst oder trinkt und auch die Medikamente nicht mehr nimmt. Alles, was sie unbedingt bräuchte, bekäme sie in Zäpfchenform. Sie sagte auch, dass sie einen starken Charakter hat und kämpft - wenn man sie so ansähe wäre sie eigentlich schon nicht mehr da. Ich schätze, sie hatte noch 30kg Gewicht. Ihr Gesicht war ziemlich eingefallen, sie wirkte so zerbrechlich. Ich hab sie angerochen, zwei Mal hat sie kurz die Augen geöffnet. Sie wurde ziemlich unruhig, ich denke, dass es ihr auch recht warm war. Mir fiel auf, dass ihre Finger blau waren, die Hände änderten auch ihre Farbe.
Ich hab sie gestreichelt und ihre Hand gehalten, sie hat sie kurz gedrückt, ich denke, sie wusste, dass wir da sind. Als sie so unruhig war, hat sie Sachen gemurmelt, aber verstehen konnten wir leider nichts. Ich hab versucht, sie zu beruhigen und immer wieder gesagt, dass sie das ganz toll macht und alles gut ist. Seit Wochen lag mir auf dem Herzen, ihr zu sagen, dass sie sich nicht quälen soll und muss. Gestern hab ich ihr das gesagt. Auch, dass sie loslassen darf, dass es okay ist. Mein Mann sagte "tschüss, meine Lieblingsschwiegermutti" Ich gab ihr ein Kuss und sagte ihr nochmal, wie lieb ich sie habe und dass sie gut schlafen soll, bevor wir gegangen sind.

Eine Stunde später kam der Anruf, dass sie eingeschlafen ist, ganz still, in aller Ruhe. Sie hat das allein gemacht, ich weiß, dass sie das so wollte.

Vor einigen Tagen hab ich von meinen Großeltern geträumt, meine Mum war auch da - gesund. Der Gedanke, dass meine Mutter mich gehört hat, mir vertraut und mit diesen letzten Augenblicken, in denen ich alles an ihr aufgesaugt habe, einen liebevollen Abschied ermöglicht hat, macht mich sehr dankbar. Sie war bis zum Schluss standhaft und ich bin sicher, dass sie ihre Lieben jetzt um sich hat. Ich bin nicht gläubig, aber ich bin sicher, dass sie erwartet wurde und jetzt keine Schmerzen mehr hat.

Ich schätze, dass mein "Roman" recht durcheinander ist - bitte entschuldigt.
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