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Alt 29.07.2014, 13:03
Julia93 Julia93 ist offline
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Standard AW: Das Schicksal ist ein mieser Verräter...

Hallo CatLove,

dieser Buchtitel hat eine ganz besondere Bedeutung für mich.
Kurz nach der Diagnose habe ich es mir zufällig zum Lesen bestellt. Papa fragte"Was ist denn das für rin Buch". Als ich ihm den Titel nannte, stimmte er diesem zu ind sagtr dass das perfekt sein Leben beschreiben würde.
Wir haben den Buchtitel auch als Überschrift für die Traueranzeige genommen. Viele Leute, besonders die ältere Generation, fand das absolut unpassend und hat sich darüber erbost.
Aber wir wollten es so, für uns hat es eine Bedeutung. Und mal ganz ehrlich, wieso muss man in solchen Traueranzeigen immer so rumheucheln. Man kann ja auch mal schreiben was man denkt. Und das Schicksal ist ein mieser Verräter. Da gibts kein "aber".
Allen Menschrn wird man es eh nie Recht machen können. Wenn man das versucht, vergisst man sich selbst.

Was Papas Körper angeht, ja das war ein Schock. Aber ob es nun daran lag dass ich Ihn aufgrund der Beschlagnahmung erst nach 5 Tagen sehen konnte weiß ich nicht.
Meine Mutter und ich haben beide vorher noch nie einen aufgebahrten Menschen gesehen.
Mama hatte sich schon zuhause von ihm verabschieden können, sie ist aber für mich dorthin mitgekommen.
Wor gingen also fast zitternd vor Angst (das klingt besheuert, aber es war wirklich so) in den Kellerraum wo er sein sollte.
Es herrschte eine typische Kelleratmosphäre, obwohl alles schön geschmückt war.
Er lag also da, wie eine Puppe aus Porzellan. Er sah anders aus. Da war kein Leben mehr. und das war aauch meine erste reaktion. Ich sagte einfach: "Papa, das bist du nicht mehr, das ist nur noch deine leere Hülle". Damit war die Sache für mich klar und ich konnte gut damit umgehen. Es war schließlich nur noch sein Körper, die Seele und der Geist, das was das Leben ausmacht, war weg.
Sein Gesicht war ein wenig eingefallen, er hatte ein paar Flecken an den Armen und seine Fingernägel waren blau bis lila.
Seine Gesichtszüge waren wie eingemeißelt. Was wohl auch daran lag, dass der Bestatter natürlich bei jeder Aufbahrung Hand am Toten anlegen muss. Das war mir klar und ich hatte es immer im Hinterkopf, dass sein Ausdruck so "gemacht" wurde. Es könnte sonst passieren dass bei Aufbahrungen die Augen von Verstorbenen wieder aufgehen oder der Mund sicj öffnet. Das will ja niemand. Also nahm ich es eben so hin wie es war.
Meine Oma (mütterlicherseits) beschrieb Ihren toten Sohn, der 1993 ebenfalls dem Krebs erlegen ist, als "schlafenden Engel". Ich weiß nicht in welcher Illusion die Dame lebt, aber so würde ich Papa nie bezeichnen.
Dennoch musste ich ihn sehen, um überhaupt begreifen zu können, dass er jetzt nicht mehr da ist.
Ich hätte ihm gerne durch die Haare gewuschelt, die hatten die Bestatter leider falsch gekämmt. Aber ich mochte Ihn nicht anfassen. Sein Körper war immer ein warmer und kuscheliger "Papakörper". So wollte ich ihn mir in Erinnerung halten.
Auch seinen Anblick weiß ich bis heute, aber ich habe keine Albträume davon.
Nach dem Besuch habe ich mich noch mit dem Bestatter unterhalten, er wusste auch von meiner Angst. Als ich ihm dann erklärte, dass dort unten nur noch die leere Hülle war, sagte er mir, er sähe das alles genauso. Und das ist ja gut oder?

Wie war für dich der Besuch bei deinem Vater?

P.S.: Sorry dass der Eintrag schon wieder so lang geworden ist
Aber das kommt einfach so...

Julia
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Liebe ist stärker als der Tod!
Papa 04.10.1948 - 25.04.2014
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