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Alt 31.07.2002, 17:28
Gast
 
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Standard Hilflose Helferin

Hallo zusammen,

Okay, ich fange nochmals von vorne an.
Ganz vorne.
Bei Adam und Eva.
Oder anders formuliert: Leben gleich Sterben. Oder geboren werden heisst auch wieder sterben.

Früher war unsere Gesellschaft eher sozial, verfügte über einen besseren Zusammenhalt. Wenn also jemand krank war und sterben musste, so geschah dies in der Familie, im nahen und vertrauten Verwandtenkreis. Also waren es die Menschen gewohnt, in ihrem eigenen Umfeld zu sterben, oder es erleben zu müssen, dass jemand stirbt. Demnach setzte man sich mit Krankheit und Tod intensiver auseinander.
Dann gab es Spitäler und Kliniken. Dann hat sich die Industrie, dann die Gesellschaft verändert. Die Forschung ging rasant voran, und die Kliniken spezialisierten sich. Der Knackpunkt also! ("Es gibt nur noch gesunde Menschen"! - Jede neunte Frau hat in Basel Brustkrebs, also gesamtschweizerisch von den Städten her gesehen die höchste Rate. Quelle: Tageszeitung.)

Wir haben also nie gelernt, uns mit Krankheit und Tod auseinander zu setzen, und dies zu akzeptieren (kleine Wiederholung hier). Was ja das Pflegepersonal auch bestätigt, indem so viel Arbeit anliegt, ... genau so geht es der GANZEN Arbeitswelt! Vom Einzelnen wird immer mehr verlangt, und er hat gar keine Möglichkeiten, sich mit diesen ganzen Gesellschaftsthemen auseinander zu setzen, weil er völlig ausgepumpt ist.

Durch diese ganzen Spezialisierungen haben wir angefangen, unser ganzheitliches Denken und Handeln auszuschliessen.
Jenny lebt nun also in dieser Behinderteneinrichtung und ist nun zusätzlich schwer oder sterbenskrank. Ich bin davon überzeut, dass es ihr lieber wäre, in diesem "Zuhause" sterben zu können, als dass man sie in ein Sterbehospiz verlegt. Dort sind genau jene Menschen nicht mehr da, denen sie bisher VERTRAUT hat!

Also nun noch zu meinem Beispiel: Als ich damals Schmerzen in der Brust hatte, meinte meine Gynäkologin, das sei psychisch. Einen Monat später, als die Schmerzen wieder auftaten, entdeckte sie eine kleine "Schwellung" in meiner Brust und verschrieb mir eine Salbe.
Wieder einen Monat später meinte sie, da ist ein kleiner Knoten, aber das ist kein Krebs, das ist bestimmt eine Zyste. Sicherheitshalber machten wir eine Mammografie. Also ging ich zum Spezialisten, dem Rönteninstitut, hm? Dort machte man die Mammografie, wollte mir die Bilder nicht mal zeigen, weil ... man wusste auch nicht, was es war! Wieder etwas später machte meine Gynäkologin eine Punktierung (so nennt man dies in der Schweiz). Die Probe wurde an einen Spezialisten, also an ein Labor gesandt. Dort wiederum konnte man nicht feststellen, um WAS es sich bei dieser Probe genau handelt!
Ich bekam einen Anruf in meine Arbeitsstelle, wo jeder im Raum mithören konnte. Die Gynäkologin sagte mir da, ich müsse den Knoten operativ entfernen lassen, man wisse zwar nicht was es genau ist, aber so zur Sicherheit, wäre das gut. Und ich bekam gleich einen Termin für die nächste WOCHE! (Diese Aussage meiner Gynäkolgin war psychologisch sehr geschickt, nicht wahr?)
Im Krankenhaus dann, wusste man genau so wenig, um was es sich bei meinem Knoten handelt. Vermutlich hat meine Gynäkologin gar nicht mit den Ärzten im Spital eine Absprache gehalten, sondern lediglich die Unterlagen zugesendet und einen Termin für mich vereinbart.
Nach der OP stellte man fest, dass es Krebs ist. Man erklärte mir das weitere Prozedere, ging jedoch nicht auf meine Ängste und Gefühle ein. Also liess man mich liegen. Bis zum nächsten Tag.
Als ich nach Hause wollte, wollte der EINE Arzt dafür eine schriftliche Bestätigung von mir, die andere Ärztin meinte, es sei nicht nötig! Die Pflegeschwester sagte mir, ich könne gleich am nächsten Tag wieder unter die Dusche, ... der Arzt meinte, ich dürfe so lange nicht mehr duschen, bis die Fäden gezogen sind!
Und so weiter und so fort.

Als ich aus dem Krankenhaus kam, war meine Gynäkologin in Urlaub. Ebenfalls mein Hausarzt.
Nach einer Woche durfte ich die Fäden ziehen beim stellvertretenden Arzt meiner Gynäkologin. Dieser war so im Stress, dass er meine Fragen nicht beantworten konnte, wollte schnell meine Fäden ziehen, musste jedoch dabei ausrufen: "WAs soll ich denn da ZIEHEN? Da sind ja gar keine Fäden drin!"
(So viel zur Spezialisierung!)
Ich hatte keinen Ansprechpartner, musste also meine Fragen dem Notsorgentelefon anvertrauen. Im ganzen liess man mich zwei Monate ohne Aufklärung alleine. Als ich dann mit einer ellenlangen Frageliste zu meiner Gynäkologin kam, meinte sie: "Ja wenn sie das alles wissen wollen, können sie ja gleich ein Medizinstudium machen!" Als ich schimpfte, dass niemand Zeit für mich hat, mir all meine Fragen zu beantworten, auch zur Komplementärmedizin, meinte sie: "Ich sehe schon! Sie wollen nicht wahrhaben, dass Sie Krebs haben, deswegen suchen Sie die Schuldigen wo anders!"

Also DAS ist die genannte psychologische Schulung und Spezialisierung! Naja, und keiner weiss, was der andere tut!

Nun zum Pflegepersonal: Ich bezweifle keine einzige Sekunde, dass diese sehr, sehr hart arbeiten müssen. Ich nehme jedoch an, dass das bei Euch auch so ist, dass das Pflegepersonal nur so und so viel Zeit pro "Fall" hat, weil das von den Kassen so eingestuft wurde. Haarkämmen, Waschen, Aufnehmen, usw. Und dass vermutlich nicht mal viel Zeit übrig bleibt für ein Gespräch mit dem Patienten ("Fall"!)
Womit hat das zu tun? Die Kassen wollen immer weniger bezahlen, (das Geld geht aus!), der Staat will sparen mit einer kleinen "Mogelpackung", indem er diese Zeitlimiten erstellt, wie lange das Pflegepersonal an einem Patienten ("Fall"!) arbeiten darf!
Mir ist ganz klar, dass dies auch den Pflegerinnen und Pflegern sauer aufstösst!

Bei uns in der Schweiz benötigt es für die Ausbildung als Krankenpfleger/in die mindest schulische Ausbildung eines Gymnasiasten. (Mit dieser Ausbildung kann man auch an die Uni.) Dieser Beruf wird bei uns sehr gut bezahlt, aber auch bei uns wird an Personal gespart, und diese Pfleger/innen rufen ebenfalls aus: "Zuviel Arbeit!" - Naja, auch bei uns wird diese "Mogelpackung" angewendet!
Okay, wie Ihr das auch nennen wollt, ... DAS nennt man Globalisierung! (Der Staat entzieht sich immer mehr seiner eigenen Verantwortung und überlässt sie dem Einzelnen.)

Ach ja, liebe Ulrike, seit wann vergleicht man einen Menschen mit einem Auto? (Was hier wohl Bluebird dazu sagen würde?)
Der Mensch ist doch keine WARE!

Also, Ihr Lieben, ich habe hier jetzt also NUR die Sache als Thema angeschnitten, für weitere Diskussionen oder als Denkanstoss.
Ganz liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte
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