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Alt 16.06.2011, 00:52
grinch84 grinch84 ist offline
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Standard AW: Profil: Angehörige stellen sich vor...

Hy, ich heiße Annika und das ist meine "vielleicht etwas lange" Geschichte...

Lange, lange Zeit war das Thema Krebs für mich ein beiläufiges Thema. Man hat hier und da gelesen, dass mal wieder jemand an Krebs gestorben ist. Eine Kollegin von mir erkrankte an Krebs, was mir sehr leid tat, aber es war weg. Weit weg. Mein Onkel starb an Krebs, meine Tante hat Krebs, aber die sind auch weg (Anmerkung: zu der Seite meiner Familie hatte ich nie einen Draht. Nie gesehen. Nie gehört. War irgendwie nich da). Aber jetzt hat´s getroffen. Direkt. Muss dazu sagen, mein Papa war mal Alkoholiker, dann ne Zeit lang trocken und dann hat er wieder zugeschlagen. Er hat gelogen, er hat Sachen erfunden und ehrlich gesagt, wir haben ihm irgendwann einfach nichts mehr glauben können. Vor ca. vier Wochen fing er an zu sagen er habe Schmerzen im Mund. Meine Mutter und mein Bruder haben es ihm nicht geglaubt. Siehe oben warum. Irgendwann haben sie ihm gesagt, er soll doch einfach zum Arzt fahren. Aber er wollte das nicht. Hat immer wieder gemeint, morgen noch, dann geh ich. Ich hab davon nich so viel mitbekommen. Arbeite im Schichtdienst und war nie dann zuhause wenn es akut war. Am Sonntag vor einer Woche ist mir aber dann doch der Kragen geplatzt. Mein Papa mal wieder angetrunken meinte, er hält es nicht mehr aus, bekommt keine Luft, ihm tut es weh. Ich hab ihn angeschrieen und ihm Vorwürfe gemacht und bin einfach ausgetickt. Bis er bereit war, dass ich ihn ins Krankenhaus fahren durfte. Ganz ehrlich, ich wollte das nicht, aber ich wollte auch das es endlich aufhört. Seit Mittwoch letzte Woche hatten wir dann die Diagnose: Zungenkrebs. Erstmal ein Schock. Da war wirklich was und wir haben nich reagiert. Schlechtes Gewissen. Böse. Der Krebs hat noch nicht gestreut, was positiv ist. Aber die Zunge? Man stellt sich dann alle Szenarien vor. Man hat dann selbst so ein Gefühl im Mund. Wie es sich anfühlt die Zunge nicht mehr bewegen zu können usw. Am Wochenende durfte er nach Hause und was soll ich sagen, war das schönste WE seit langem. Mein Dad nüchtern und wir haben über Gott und die Welt geredet. Pfingstmontag musste er wieder ins KH. Mein Bruder und ich haben ihn gefahren. Ich hab extra einen Dienst getauscht, einen Frühdienst gemacht (was ich hasse) um ihn zu fahren. Wollte nich das er in ein Taxi steigt und denkt, er sei uns völlig egal. Dienstag früh wurde er operiert. Um acht war die OP angesetzt, für vier Stunden. Meine Mom war um halb drei im KH und da wurde ihr gesagt, er ist noch im OP. Mehr als die vier angesetzten Stunden. Da macht man sich schon Gedanken. Sie sollte am Abend noch einmal anrufen, was sie getan hat. Seit Dienstagabend liegt er auf der ITS. Meine Mom war gestern da, hat mir eine SMS geschrieben (ich war auf Arbeit), dass sie bei Vati war und er geschlafen hat. Mehr konnte ich bis jetzt nicht erfahren (meine Mom schlief schon als ich von der Spätschicht kam). Nun hab ich vier Tage frei und kämpfe mit mir ihn zu besuchen. Ich hab Angst davor. Hab Angst ihn zu sehen. Ich will ihn sehen, aber ich hab auch totale Angst davor. Ich bin die einzige in der Familie, die noch nie operiert wurde und in einem KH lag. Ich musste/konnte/sollte immer nur besuchen. Aber jetzt bei meinem Dad hab ich auch Angst vor der Zukunft. Wie es weiter gehen soll/wird. Uns wurde gesagt, dass er nie wieder so sprechen kann wie vorher. Logopädie und Chemo werden anstehen. Ich hab wirklich Angst vor dem Danach.
Meine Mom wollte sich wegen dem Alkohol von meinem Dad trennen. Jetzt bin ich froh, dass sie es nicht tat. Aber ich denke jetzt auch, das eine Scheidung das einfachere Los gewesen wäre.
Tut mir leid für den langen Text. Aber ich hoffe hier Menschen zu finden, die mich verstehen. Auf meine Kollegen kann ich nicht bauen. Das schlimmste was mir gesagt wurde, nachdem ich offenlegte was mit mir und meiner Familie is, war: der hat euch so viel angetan und ihr steht trotzdem bei ihm? oder...nur weil dein Papa jetzt krank ist werden wir nicht unsere Dienste tauschen, haben genug Überstunden...das hat getroffen. Ich mein, das ist mein Papa. Hab nur den einen (wirklich). Und die denken an Überstunden und...ich arbeite in einem sozialen Bereich (Wohnheim für schwerstmehrfach behinderte Menschen) und ich begegne gerade Kollegen die ein Einfühlungsvermögen wie Steine haben. Ich bin ein sehr introvertierter und verschlossener Mensch. Hab auch nicht jedem gesagt was mit mir und meiner Familie los ist. Aber von denen den ich es gesagt hab, hätte ich ein bisschen mehr erwartet. Sonst hätte ich es ihnen ja nicht gesagt.
Jetzt wirklich Schluss. Noch eines, danke für dieses Forum. Hätte nie gedacht so eines mal in Anspruch nehmen zu müssen, aber jetzt wo ich es tue, bin ich dankbar dafür, dass es das gibt.

LG, Annika
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