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Alt 09.10.2007, 13:23
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: mein Sohn hat Panikattacken

Hallo Nikita,

Zitat:
Zitat von nikita1 Beitrag anzeigen
ja, das mit dem "ueber alles reden koennen", das ist ein Problem. Mit meinen Kindern kann ich es nicht, weil ich das Gefuehl habe, sie damit zu ueberfordern.
(...)
Ich kann doch als Mutter meinen Kindern gegenueber meine Panik nicht so offen zeigen
Meine Frau und ich haben zwar keine Kinder (es hat leider nicht sollen sein). Aber ich erinnere mich noch gut an meine Kindheit: ich bekam massive Panikattacken mit 14-15, danach schwere Depressionen. Der Anlass war keine Krankheit (der Eltern), ist IMHO aber auch nicht so wesentlich.

Erst lange im Nachhinein ist mir klar geworden, dass für mich auch diese Atmosphäre der (wenn ich es mal ganz böse ausdrücke) Verlogenheit krankmachend war. Natürlich meinten meine Eltern es gut. Und natürlich möchtest du deine Kinder schützen, sie nicht überfordern. Und lieber weiter die starke Mutterrolle einnehmen. Das haben meine Eltern, bei denen es damals in der Ehe ganz ordentlich kriselte, auch versucht. Welche wohlmeinenden Eltern würden das nicht tun?

Aber: es hat nicht funktioniert. Weil viele Menschen, IMHO besonders Kinder und Jugendliche, sehr sensible "Antennen" haben - und merken werden, dass ihnen etwas vorgespielt wird, was nicht der Wahrheit entspricht. Und es fraglich ist, ob sie damit besser umgehen können als mit Offenheit und Ehrlichkeit. Anders gefragt: überforderst du deinen Sohn mehr damit, indem du ihm gegenüber die Rolle spielst, die du als Mutter glaubst spielen zu müssen - oder damit, dass du vor seinen Augen zusammenbrichst und deine Angst und Schwäche offenbarst?

Die Antwort darauf kenne ich auch nicht. Ich kann nur sagen, wie sich dieses "Rollenspiel" der "Starken", das meine Eltern damals (ganz bestimmt aus guten Gründen und voller Überzeugung) bevorzugt haben, auf mich ausgewirkt hat: Nämlich mit einem (nach über 25 Jahren immer noch andauernden) grundlegenden Misstrauen gegenüber dem, was andere Menschen sagen. Und einem ausgeprägten Gespür dafür, wann andere nicht die Wahrheit sagen. Und dem"Zwang", alles und jedes, was andere sagen, erstmal zu bezweifeln und zu hinterfragen. Und der Unfähigkeit, anderen einfach so zu vertrauen. Und dem krank machenden Stress, bei anderen Menschen ständig "ziwschen den Zeilen lesen" zu müssen (was sagen sie - aber was meinen sie wirklich?). Meine Konsequenz daraus für mich ist inzwischen: absolute Tabulosigkeit. Es gbit nichts, woüber man nicht sprechen kann. Und wenn es noch so abartig und schmerzhaft ist. Eine Einstellung, mit der ich in der Praxis sehr häufig anecke.

Das ist aber mein Ding. Was für deinen Sohn "das Beste" ist, kann nur er wissen - und du vielleicht verstehen, wenn ihr darüber sprechen könnt. In irgendeiner Form leiden wird er so oder so. Wie denn sonst - dass eine schwere Krankheit die Angehörigen nicht stresst, geht ja in der Praxis gar nicht. Und dein Sohn reagiert halt auf seine Art auf diesen Stress. Dafür kann er nichts und du nichts, und niemand ist daran Schuld. Ich denke, das ist einfach unvermeidbar - IMHO "schicksalhaft".

Umso wichtiger und positiver finde ich, dass dein Sohn mit seinen Beschwerden schnell professionelle Hilfe gesucht hat! Nichts wäre schlimmer, als wenn dein Sohn seine Krankheit tabuisieren würde - und die Panikattacken unbehandelt 10 oder 20 Jahre lang aushalten müßte (was leider immer noch keine Ausnahme ist). Aber er hat schnell gehandelt, er hat richtig gehandelt (indem er sich vom Psychiater ein SSRI AD wie Prozac hat verschreiben lassen, statt der schnell körperlich abhängig machenden "Glückspillen" in Form von Valium, Tavor usw. vom Hausarzt), und er hat damit IMHO die Weichen dafür gestellt, diese Angststörung in den Griff zu kriegen - und künftig lebenswert leben zu können.

Es ist IMHO keine Schande, Schwäche zu zeigen, zu "versagen" und oft genug im richtigen Moment genau das Falsche zu tun - das ist nur menschlich. Es sit nur traurig und fatal, dann keine Hilfe zu suchen. Das hat dein Sohn aber getan, so wie du es auch getan hast. Und deshalb bin ich der Überzeugung, dass ihr auf einem guten Weg seid, dieses Problem zu meistern. Auch, wenn dieser Weg vielelicht lang und mitunter steinig ist :-/

Viele Grüße,
Stefan
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