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Alt 22.09.2012, 09:03
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Papa hat schlecht differenziertes Adeno-Ca der Lunge mit Fernmetastasen :((

Meine liebe Jessy,

schön, mal wieder etwas von dir zu lesen... Und hier brauchst du dich für gar nichts entschuldigen. Es ist ein geschützter Raum und vor allem ein Raum für deine Trauer und da kannst du schimpfen und jammern wie du willst. Monika hat recht, es ist sehr wenig Zeit vergangen und du darfst nicht zu viel von dir erwarten. Auch wenn dein Verstand begreift, dass es Zeit war, deinen Papa gehen zu lassen, dann trägt dein Herz diese Entscheidung noch lange nicht. Und die beiden fechten offensichtlich gerade einen Kampf in dir aus. Mir ging es ähnlich. Und vor allem war ich wütend über die Gleichgültigkeit, die mir begegnete, die Banalität, die mir entgegen sprang und dass nicht einfach die ganze Welt still stand. Es ist unglaublich schwer, die innere und äußere Welt wieder in Einklang zu bringen. Das kostet Kraft und es benötigt Zeit.
Auch haben die schwere Krankheit deines Papas und sein viel zu früher Tod dich tatsächlich verändert. Du bist daran gewachsen! Du bist eine sehr starke, junge Frau, aber du musst nicht immer stark sein. Und wenn die Traurigkeit und die Sehnsucht dich überrollen, dann lass es zu und wehre dich nicht dagegen. Das kostet nur allzu viel Kraft. Die Welle reißt dich mit sich und vielleicht gehst du auch mal kurz unter und wirst über den Boden gerollt, doch letztlich spült dich diese Welle auch wieder an Land zurück.

Oft sind die Gefühle, die wir durchleben widersprüchlich und manchmal hat man auch den Eindruck, dass die Trauer einen zerreißt, uns den Atem nimmt, aber irgendwie schaffen wir es. Von einem Tag zum nächsten. Und aus eigener Erfahrung kann ich dir nur sagen, dass die Trauer sich verändert. Ich habe mir angewöhnt, sie "zum Kaffee einzuladen" und sich mit mir an den Tisch zu setzen, wenn sie anmarschiert. Wenn ich mir sie als Person vorstelle, fällt es mir leichter. Anfangs hat sie mich sehr oft heimtückisch überrascht und überrollt. Aber meine Taktik ging auf und mit der Zeit wurde es besser. Und da ich mir die Trauer als so eine Art Person vorstellen kann, fühle ich mich nicht mehr ganz so ausgeliefert und hilflos. Vielleicht kannst du ja für dich auch einen Weg entdecken, der dir ein wenig helfen kann.

Und wie es in dir ausschaut, das können vor allem diejenigen Menschen verstehen und nachempfinden, die selbst einen so großen Verlust erleben mussten. Das bedeutet aber nicht, dass die anderen alle "blöd" und unsensibel sind. Oft steckt hinter ihrem Verhalten ja die eigene Hilflosigkeit und Unsicherheit, denn sie wissen nicht, wie sie dir begegnen sollen.

Jessy, es ist ein langer und schwerer Weg, der vor dir liegt, aber du wirst ihn meistern! Das weiß ich! Dein Papa hat dir schließlich das passende Rüstzeug dafür mit auf den Weg gegeben. Und wenn du mal reden willst, dann sind wir schließlich alle gern für dich da!

Und ich finde es auch ganz, ganz schön, dass ihr in dein Elternhaus einziehen werdet! Fühle dich geknuddelt und grüß deine Mama auch ganz lieb!!!
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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