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Alt 26.11.2004, 17:59
Gast
 
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Standard Ich habe Angst ein Weihnachten ohne Mami?

Liebe Sabine,
ich kann deine Angst, es psychisch nicht zu packen, so gut nachvollziehen... Als meine Ma die erste Woche nach dem Krankenhaus zuhause war, war ich hier mit ihr alleine (abgesehen von den Pflegerinnen, die morgens und abends kurz hier waren) und ich dachte, wenn es so weiter geht, lande ich ende des Monats auf "der Couch"...! Glücklicherweise war aber die ganze Verwandtschaft hier und gemeinsam konnten wir die seelische und auch körperliche Arbeit bewältigen. Ich war anfangs auch am überlegen, ob ich die Unterstützung eines Psychologen brauche, aber bisher bin ich noch nicht bei einem gewesen.
Ich weiß ja nicht, was für ein Mensch du bist, ich will dir hier keine Ratschläge geben, die für dich völlig falsch sind! Vielleicht ist es für dich wirklich das Beste, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und dir bei der Stress- und Trauerbewältigung helfen zu lassen! Ich - für mich selbst - will das bisher einfach nicht, weil ich um meine Mutter trauern möchte. Verstehst du, wie ich das meine? Ich will mich im Moment einfach noch nicht beeilen, meine Trauer abzulegen. Auch wenn mich das in gewisser Weise hemmt, verlangsamt und mir einen Teil meiner Zeit stiehlt, was andere vielleicht als sinnlos ansehen, so brauche ich diese Zeit einfach, um das Erlebte zu verarbeiten. Andere machen es anders. Ein Teil meiner Bewältigungsarbeit ist z.B. dieses Forum hier. Nicht nur daß ich mir vorher Trost und Rat hier geholt hab, sondern auch, daß ich jetzt ein bißchen Trost und Rat gebe. Es zumindest versuche...

Was ich dir nur an's Herz legen möchte ist, daß du dich mit eurem Arzt unterhalten solltest und dir klipp und klar darlegen lassen solltest, wie es um deine Mutter steht, wie lange sie möglicherweise noch hat (kann keiner genau voraussagen, aber eigentlich gibt es da "Erfahrungswerte"), was auf euch als pflegende Familie zukommen wird, was du tun kannst und auf was für Hilfen & Hilfsmittel ihr ein Anrecht habt. Du mußt weder den Krankenkassen noch dem Staat etwas schenken... Erkundige dich rechtzeitig nach Pflegediensten und such dir einen aus, wo die Pflegerinnen dir und deiner Mutter sympathisch sind!
Nur wenn du genau bescheid weißt, kannst du dich auf das gefasst machen, was kommt... Das klingt sehr nüchtern, aber ein bißchen Nüchternheit mußt du dir auch bewahren. Ich weiß, daß das deprimierend ist.
Ich hab mich hier teilweise gefühlt, wie "Oberschwester Tina", jedesmal wenn Mutti stöhnte, wurde nach mir gerufen, weil ich ja evtl. wissen könnte, was nun zu tun sei. In dem Moment hat mich das schrecklich genervt. Ich hab immer gedacht, daß Papa und Tante Renate doch auch selbst mal die blöden Beipackzettel in den Medi.-Packungen durchlesen könnten um zu sehen, ob sie von irgendwas noch etwas mehr nehmen darf usw... Heute bin ich dankbar, daß ich wenigstens das noch für meine Ma tun durfte und konnte...

Daß du deinen Hund abgeben mußt, tut mir leid. Ich könnte meine Tiere nie abgeben, allein die Vorstellung reißt mich in Stücke. Wahrscheinlich nehmen meine Monster bei mir die Stellung deiner Kinder bei dir ein... Was man nicht alles in Kauf nimmt...?! Der Umzug mußte so schnell gehen, daß ihr keine Zeit hattet nach einer Wohnung zu suchen, in die ihr, neben euren 8 Kids, auch noch den Hund mitnehmen durftest, was?!

Hast du wirklich niemanden, mit dem du reden kannst? Ich hab festgestellt, daß viele Menschen in meiner Umgebung erstaunlich offen dafür waren, als mein bester Freund damals starb... Von vielen Seiten hörte ich plötzlich von ähnlichen Schicksalsschlägen und manche waren richtig erleichtert, auch mal darüber reden zu können, weil sie sich vorher auch nie getraut hatten, so ein Thema anzuschneiden. Daß ausgerechnet dein Mann zu denjenigen gehört, die nicht reden, ist natürlich außerordentlich schade! Ich bin auch jemand, der sich aussprechen muß... Vielleicht gibt es eine Selbsthilfegruppe in deiner Nähe!? Gibt es ein Hospiz in deiner Stadt? Frag doch dort mal, das ist vielleicht nicht gleich so ein großer Schritt, wie zum Psychologen zu gehen. Ansonsten - wo wohnst du? Wenn du in Bremen oder Umgebung bist, könnten wir uns vielleicht mal sehen?

Liebe Grüße, Tina
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