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Alt 02.01.2006, 18:23
shalom shalom ist offline
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Registriert seit: 25.08.2005
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Beiträge: 222
Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Gerhard,

du hast dich in einem deiner früheren Beiträge gewundert, dass sich in diesem Forum wenig Männer tummeln. Deswegen freut es mich besonders, dass du den Weg hierhin gefunden hast.

Wahrscheinlich tun sich viele Männer schwer, ihre Gefühle auszudrücken und die Trauer rauszulassen. Du äußerst deine Gefühle und das ist sehr gut. Lasse die dunklen Wolken kommen, betrachte sie und frage dich warum sie vielleicht gerade in dem Augenblick kommen und lasse sie auch wieder ziehen. Begebe Dich - auch wenn es schwer ist - an Orte, an denen ihr gemeinsam wart. Sprich und weine mit deiner Frau, die bei dir ist, wenn auch unsichtbar. Du wirst sehen, anfangs ist diese Art der Trauerarbeit schwer, wenn du mit ihr gesprochen und geweint hast wird es leichter werden.

Mir hat das "gemeinsame Wege" nun allein gehen sehr geholfen. Zudem habe ich mich sehr bald mit Hilfe befreundeter Personen von den Dingen gelöst, die mir aufgrund der immerwährenden Nähe nur wehtun: Ich habe die Kieider meiner Frau, ihre Musikinstrumente und ähnliches weitergegeben.

Ich war mehr als dreissig Jahre verheiratet, 1996 erkrankte meine Frau an einem unheilbaren Rippenfellkrebs. Nach drei wundervollen intensiven Jahren, in denen wir glaubten, die Krankheit sei überstanden, kehrte 1999 die Krankheit mit Macht zurück. Meine erste Frau starb im Juni 2000 im Alter von 56 Jahren. Wir sind den langen Weg bis zu ihrem Tod gemeinsam gegangen, konnten uns offen auf die verbleibende Zeit und die letzte Wegstrecke vorbereiten. Sie ging durch die große Tür hindurch, die das Ende ihres Leidenswegs bedeutete und ich mußte es zulassen und durfte hierbleiben.

Zurück bleiben viele wunderbare Erinnerungen und erlebte Gemeinsamkeiten, das Gefühl in schwerster Zeit sich abolut aufeinander verlassen zu können und über alles aber auch wirklich alles sprechen und können und nichts offen zu lassen.

Ich habe die Chance bekommen weiterleben zu können und das tue ich intensiv und geniesse dieses Geschenk, denn ich weiß, es ist so im Sinne meiner ersten Frau.

Du hast sicher als liebender Partner die Wegbegleitung übernehmen dürfen ohne wirklich helfen zu können, aber es wird deiner Frau sehr gut getan haben, dich an ihrer Seite zu haben.

Es wird Zeit brauchen, bis du dir selbst zugestehst, dass auch du sehr viel geleistet hast und vor allem deine Seele sich nun entlasten darf und muß.

Trauerarbeit braucht Zeit und ist nicht im ICE-Tempo zu bewältigen. Ich habe etwa zwei Jahre gebraucht, bis die dunklen Wolken weniger wurden. Das Hineinbegeben in "Schlüsselsituationen" hat mir dabei sehr geholfen, so konnte ich jeweils bei mir spüren, was die Trauer nach Monaten, einem Jahr usw. mit mir machte: Nach-Begehen gemeinsamer "mühsamer" Spazierwege während ihrer Krankheit, Besuch der Kliniken und des Reha-Krankenhauses, Besuch des Hospizes zu den Jahrestages ihres Todes usw.

Jeder muß und wird einen Weg finden, sich mit dem Leben NACH dem Tod des geliebten Partners neu anzufreunden. Das geschenkte Leben ist schön, du wirst es wieder schätzen lernen, wenn du es denn zuläßt. Deine Frau würde es sicher so wollen.

Gehe weiter deinen guten eingeschlagenen Weg.

Shalom
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