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Alt 22.10.2005, 19:38
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Ausweglose Diagnose verkraften?

Hallo Elke,

ich denke wenn Dein Vater sich (erstmal?) zurückzieht dann kannst Du da nicht viel machen, ausser eben da sein für ihn, so wie Frida es schon gesagt hat.

Mein Vater war lebenslang ein Verdränger bei Poblemen aller Art. Letztes Jahr im Juni ist er gestorben. In den zwei noch "guten" Jahren nach seiner Diagnose hat er sich so wenig wie möglich damit beschäftigt, hat sofern es immer möglich war so getan als wäre nix.... zumindest nach aussen hin. Wollte nach eigener Aussage nicht mal dran denken. Schliesslich kam eine OP wegen Darmkrebs-Rezidiv, dann gab es Komplikationen und er lag wochenlang bis zu seinem Tod auf der Intensiv. Da er beatmet wurde konnte er nicht mehr sprechen, oft war auch unklar wie "wach" oder bei Bewusstsein er war. Die Ärzte und Pfleger haben aber mehrfach berichtet dass er sich verweigerte, z.B. beim Zähneputzen (durchaus wach) den Mund nicht öffnete und den Kopf schüttelte. Er hasste übrigends auch immer Ärzte und Krankenhäuser, bzw. hatte immer Angst davor, fast nie zum Zahnarzt usw. Eine Schwester kam dann mal auf die Idee ihm die Zahnbürste in die Hand zu drücken und nur zu helfen, da machte er plötzlich mit. Was da auch immer sein Grund war, vielleicht wollte er sich in der entsetzlichen Hilflosigkeit diese kleine Eigenständigkeit bewahren.... Im Beisein der Ärzte schloss er oft die Augen, weigerte sich zu kucken oder zu erkennen zu geben dass er verstand, so empfanden sie es zumindest offenbar bei einigen Visiten. Wenn wir da waren (seine Frau oder ich) schlief er oft, aber mit der Zeit dachten wir auch manchmal dass er nur die Augen nicht öffnen wollte. Ich nehme an, es hat Zeiten gegeben wo er einfach nicht bei Bewusstsein war (schlechte Leberwerte, Lungenentzündungen, die Medikamente, all sowas) und auch Zeiten wo er sich einfach in sich selbst zurück zog, oder wohin auch immer..... Und da standen wir dann alle am Bett und zerrten an ihm, die Ärzte, wie, alle sagten "komm zurück, mach mit"... manchmal denke ich jetzt vielleicht konnte und wollte er nicht mehr.

Es ist so unendlich schwer daneben zu stehen und nicht loszulassen und zu bitten und zu ermutigen und versuchen Optimismus oder so was ähnliches zu verbreiten. Fast bis zum Ende habe ich das nicht geschafft, erst am Ende konnte ich ihn gehen lassen, und mussten wir auch.

Aber vielleicht konnte er irgendwann einfach nicht mehr anders. Das muss man versuchen zu respektieren und aushalten, auch wenn es einem das Herz bricht.

Bei deinem Vater ist die Situation ja anders, vielleicht braucht er einfach nur eine Zeit um mit sich selbst ins Reine zu kommen, das muss ja nicht heissen dass er sich jetzt aufgibt oder so. Sicher will er Euch auch schützen. Und mit einem Psychologen hätte mein Vater NIE gesprochen.

Wir Angehörigen und alle die den Kranken mit begleiten müssen uns auch zurücknehmen können. Natürlich WILL und WILL und WILL man etwas TUN, bloss was TUN und HELFEN. Die Hilflosigkeit ist natürlich zermürbend. Aber da muss man durch. Man kann fragen und Hilfe anbieten, aber letzten Endes muss man sich nach dem Betroffenen richten, so sehe ich das. Es ist nun mal sein Weg. Man kann nur da sein und zeigen (und sagen, wenn man das schafft.....), dass man immer da sein wird.

Ich weiss nicht, ob Dir das jetzt irgendwie weiterhilft.

Die Idee von Frida, dass Du Dir selbst auch Hilfe + Unterstützung suchst, finde ich auch gut.

Kerstin
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