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Alt 26.03.2004, 09:30
Gast
 
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Standard Weiß nicht weiter...

Liebe Steffi,

ich weiß wie es Dir geht. Mein über alles geliebter großer Bruder (35 J.) ist vor 7 Monaten an einem Hirntumor verstorben. Oh ja, ich kenne die Bilder die des Nachts auftauchen, ich weiß wie es ist ganze Nächte wach zu liegen und sich die Seele aus dem Leib zu weinen. Doch glaube mir, die Bilder (auch wenn sie nie ganz verschwinden werden) werden nach und nach verblassen.

Ich habe auch noch täglich diese Momente in denen ich denke es müsste mich jeden Augenblich zerreißen, wo ich mich immer und immer wieder frage: Haben wir auch alles richtig gemacht??? Diese Fragen werden immer bleiben, aber ich bin davon überzeugt das mein Bruder in jeder Sekunde meines Lebens bei mir ist. Um es kurz zu erklären:

Ich habe im letzte Jahr geheiratet. Als wir den Termin gemacht haben wussten wir noch nichts von der Krankheit meines Bruders. Ich wollte die Hochzeit dann absagen, doch mein Bruder, obwohl er schon nicht mehr sprechen konnte, bestand darauf das die Hochzeit so statt findet wie geplant. Der Zustand meines Bruders verschlechterte sich täglich, er lag nun schon mit Windel und Kathedar im Hospiz, konnte lediglich noch den linken Arm und den Kopf bewegen. Keiner konnte ihm mehr helfen. Aber er bestand weiter darauf das wir heiraten. Es war eine merkwürdige Hochzeit, viele Tränen, teils aus Freude, teils aus Trauer. Nach der Trauung fuhr ich erstmal ins Hospiz, wollte ich doch meinem Bruder zeigen das ich nun verheiratet bin. Der Anblick riß mich schier von den Beinen. Er hatte mittlerweile Wasser in der Lunge, konnte kaum noch atmen, dieses blubbernde Geräusch verfolgt mich in meinen Träumen. Nach viel Überzeugungsarbeit meiner Schwägerin fuhr ich dann doch zurück zu unseren Gästen und versuchte irgendwie diese Hochzeitsfeier zu überstehen. Um 0.30 Uhr sah ich meinen Mann mit dem Handy am Ohr und wusste was los ist. Wir rasten wie verückt ins Hospiz, stürzten aus dem Fahstuhl und wurden dort schon von einer Schwester empfangen. Mein Bruder war um 1.15 Uhr für immer eingeschlafen. Es zeriß mich, ich bekam keine Luft, wollte schreien und lag dann doch nur weinend an der kalten Brust meines geliebten Bruders.

Ich werde nun damit Leben müssen das mein Hochzeitstag für mich nie ein so schöner und fröhlicher Tag sein wird, wie er es eigentlich sein sollte. Aber ich weiß genau ich habe meinem Bruder einen seiner letzten Wünsche erfüllt. Und das ist es wert!!! Was ich Dir damit nur sagen wollte ist: Mein Bruder hat mich sehr geliebt, er konnte erst dann beruhigt einschlafen, als er mich in guten Händen wusste. Meinst Du denn Dein Bruder würde wollen das Du Dir solche Vorwürfe für etwas machst, an dem NIEMAND hätte etwas ändern können??? Meinst Du nicht er würde sich für Dich vielmehr ein schönes, fröhliches, sonniges Leben wünschen? Ich denke wenn Dein Bruder Dich nur halb so viel geliebt hat wie Du ihn, dann wird er wollen das Du Dein junges Leben geniesst. Denn wie Du ja selber schmerzlich erfahren hast, kann es schneller vorbei sein als man denkt. Trauere um Deinen Bruder, aber lebe weiter. Das ist es was unsere Lieben von uns erwarten!!!

Fühl Dich gedrückt!!!

Silke
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