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Alt 19.08.2015, 19:13
jane. jane. ist offline
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Standard AW: kleinzelliges Lungenkarzinom bei meinem Mann

Werner ist nun seit 6 Tagen tot und die Trauer ist merkwürdig. Manchmal ist alles normal, seine Schuhe stehen da, sein Hemd liegt über den Stuhl, sein Wecker tickt und ich rede mit ihm. Und plötzlich durchschießt mich ein furchtbarer trauriger Schmerz und ich muss weinen. Das stimmt, Cinderella, man funktioniert. Aber mehr schlecht als recht. Heute habe ich mir nach 10 Tagen ein Mittagessen kochen wollen und habe aber vergessen, den Herd anzuschalten. Oder beim Bestatter habe ich meinen Namen vergessen. Die ersten Kondolenzpost kam heute und erinnerte mich an das Entsetzliche. Warum nur mein lebenslustiger Werner? Werner hatte immer einen Schalk im Nacken. Noch während seiner Krankheit machte er Blödsinn. Und jetzt ist er weg-für immer. Für immer fort. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn das alles schaffen soll. Er geistert hier immer noch rum. Zwei Tage nach seinen Tod dachte ich nur, ich muss die Blumen düngen und Dünger kaufen. Er nimmt es mir übel, wenn ich unsere Blumen vernachlässige. Und plötzlich steht eine neue Flasche Dünger neben der Tür. Ich schwöre, die stand vorher nicht da!
Ich habe mich durch den Garten geschleppt und alle Blumen gedüngt, so wie Werner es auch immer gemacht hat. Wir hatten eine Engelstrompete, die uns leider eingegangen ist. Ich wollte sie auf den Kompost werfen, weil alle sagten, die ist hin. Na was soll ich sagen? Die vertrocknete Engelstrompete treibt wieder!! Damit hat er mir ein Zeichen gegeben, das er angekommen ist oder werde ich verrückt?
Gestern konnte ich Werner ein letztes Mal besuchen. Er war aufgebahrt und wartet darauf, kremiert zu werden. Der Bestatter hat einen Termin für mich vereinbart. Er sah so friedlich aus, es war schön, ihn noch einmal zu sehen. Ich konnte einen Brief in den Sarg legen und ihn noch einmal über die Wange streicheln, wie ich es immer so gern gemacht habe. Er kann mit seinen Schuhen verbrannt werden, die ihm so wichtig waren, weil er drei Wochen vor seinem Tod nicht mehr laufen konnte. Er hoffte immer, mit den richtigen Schuhen geht alles. Ich habe ihn in den Glauben gelassen, das er nur eine Nervenentzündung hatte und das bald alles in Ordnung kommt. Wenn Werner nicht essen konnte, habe ich auch nicht gegessen. Wenn er nicht trinken konnte, habe ich auch nicht getrunken. Ich habe mit ihm mitgelitten. Gestern wurde sein Pflegebett abgeholt, die Medikamente habe ich weggebracht. Die Spuren seiner bösartigen Erkrankung so gut wie beseitigt. Das Leben geht weiter aber ohne meinen geliebten Mann. Es macht keinen Sinn mehr. Das Haus, der Garten, alles wirkt so verlassen.
Liebe Cinderella, ich möchte dir mein Beileid aussprechen, aber was sind schon Worte? Ich kann nachvollziehen, wie es dir geht. Ich drück dich und wünsche dir Kraft.
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