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Alt 06.09.2009, 16:32
Andreas P. Andreas P. ist offline
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Standard Über Sinn oder Unsinn der Whipple-Operation

Liebe Leser,

Ich habe erst jetzt zwei Wochen nach dem Tod meiner Frau die Kraft etwas zu schreiben.
Das, was sie in den letzten Wochen und Monaten hat durchmachen müssen, war so furchtbar, dass ich an dieser Stelle deutlich vor einem chirurgischen Eingriff, wie er bei meiner Frau stattgefunden hat, warnen möchte.

ACHTUNG! ich will nicht alle Eingriffe generell verdammen. Ich möchte nur jedem klarmachen, dass eine solche Entscheidung mit Augenmass getroffen werden muss und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sehr genau abgewogen werden müssen.

Gerade wenn bereits Metastasen festgestellt worden sind halte ich den Entschluss für eine solche OP für überdenkenswert.

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Die Geschichte:

Meine Frau war 49 J. alt, sehr sportlich und lebensfroh. Sie trainierte mehrmals in der Woche im Fitnessstudio (hauptsächlich mit den Männern, weil sie die Herausforderungen "in der Frauenabteilung" als zu gering empfunden hatte).
Wir ernährten uns gesund, rauchten nicht und tranken wenig.
Im Herbst 2008 machten sich undefinierbare Schmerzen im Rücken und Bauchraum bemerkbar.
Fachärzte, CT, Ultraschall usw. konnten keinen klar definierbaren Befund liefern und jeder hatte so seine eigene Erklärung. Letztendlich wurde in Uniklinik Hamburg dann eine ERCP mit dem Befund von unklaren aber problemlosen Ablagerungen in der Bauchspeicheldrüse gemacht.
Am 19. Januar erfolgte dann die erste Operation mit dem Ziel diese Ablagerungen zu beseitigen.
Während der OP entdecken die Ärzte dann massive Metastasen in den Eierstöcken und der Gebärmutter. OP wird ohne weitere Massnahmen beendet. (lediglich Schnellschnitt). Die Ärzte tippen bis dahin auf Eierstockkrebs.
Es erfolgt Gespräch und "Aufklärung".
Eine Woche später erfolgt dann eine zweite große Bauch-OP. Während dieser Operation werden gleichzeitig neben der Whipple - OP diverse Organe und Lymphknoten entfernt (Eierstöcke, Gebärmutter, der gesamte Dickdarm, Milz, Gallenblase, Teile des Zwerchfells).
Ein paar Tage später hat meine Frau 20kg abgenommen und es beginnt ein REHA - Aufenthalt mit anschliessender Chemotherapie.

Die weitere Leidensgeschichte mit weiterem Gewichtsverlust, Diabetes, allgemeiner Schwäche, künstlichem Darmausgang, künstlicher Ernährung usw. ähnelt all den bekannten Verläufen hier im Forum.
In den letzten Wochen vor Ihrem Tod konnte sie nicht einmal mehr Wasser trinken, weil sie dieses sofort erbrach.

Das ein Mensch eine solche Operation überhaupt überlebt ist schon kaum fassbar. Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass sie niemals hätte operiert werden dürfen. Wie konnten die Chirurgen nur daran glauben, mit dieser Operation etwas positives zu bewirken?
Meine Frau sagte mir immer wieder:"Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, dann hätte ich mich mich niemals operieren lassen!".
Auch andere Ärzte haben mir später allerdings nur unter der Hand ähnliche Meinungen berichtet.

Ich behaupte: Ohne diese Operation wäre sie viel stärker gewesen und hätte die Chemo, die ihr so zu schaffen machte, viel besser vertragen.

Warum nun unternimmt ein so angesehenes Haus, bzw. die chirurgische Abteilung mit einem so angesehenen Chefarzt einen solchen Eingriff?

1. Whipple - Operationen sind sehr kompliziert und tragen immer zum Ansehen der Abteilung bei.
2. Diese Operation sind extrem teuer und leisten somit einen nicht unerheblichen Deckungsbeitrag für die Abteilung.
3. Rechtfertigen können die Chirurgen den Eingriff ja immer mit den Statistiken: Die durchschnittliche Lebenserwartung der Patienten wird immerhin um ein paar Wochen verlängert...

Ich schreibe diesen Beitrag weil es mir wichtig ist, jedem der dies liest, klar zu machen, wenn eine solche Entscheidung anstehen sollte, er sich ganz genau darüber im Klaren sein soll, was da gemacht wird.
Die Konsequenzen einer solchen Operation sind meistens fürchterlich und der Preis für ein paar Wochen Lebensverlängerung ist sehr hoch.
Und Erfolg in dem Sinne einer "Heilung" gibt es meines Wissens nur sehr, sehr, selten.

Andreas