Einzelnen Beitrag anzeigen
  #36  
Alt 02.09.2002, 21:44
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Hilfe für Hinterbliebene

Hallo Susanne und alle die mit ihrem Arbeitgeber kämpfen,

meine Mutter kam im Februar zum sterben nach Hause. Der Arzt sprach nur noch von Wochen. Ich wußte nicht was ich tun sollte und irgendwie hoffte ich, dass aus den Wochen Monate werden würden. Bei der Krebsberatung sagte man mir, dass jeder Hausarzt mich sofort auf unbestimmte Zeit krankschreiben würde. Ich ging nicht zum Arzt, sondern zu meinem Chef und erklärte ihm alles. Es taten zwar alle sehr verständnissvoll, aber es ging drunter und drüber. Eine Umstellung auf 30 Stunden klappte in der Praxis nicht. Schließlich bekam ich unbezahlten Urlaub. Da war es aber schon zu spät. In der ersten Woche ist sie gestorben. Auf den Tag genau fünf Wochen nachdem sie aus dem Krankenhaus kam. Gleich nach der Beerdigung ging ich wieder arbeiten. Ich war unkonzentriert, völlig erschöpft, viel abends ins Bett und stand genauso müde wieder auf. Nach zwei Wochen habe ich mich dann doch krankschreiben lassen und bekam prompt meine Kündigung.

Ich war unendlich erleichtert, der Druck funktionieren zu müssen war weg, aber diese kostbaren fünf Wochen ersetzt mir niemand. Ich hatte nur die Abende und das Wochenende. Zuwenig für den Rest meines Lebens.

Meine Mutter wollte nicht, dass ich meinen Job riskiere, sie wollte dass mein Leben weiter geht. Ich habe ihr also damit einen Wünsch erfüllt und eine Sorge genommen. Aber ich würde trotzdem jedem raten nehmt Urlaub oder last euch krankschreiben. Überlegt genau was euch wichtiger ist. Nutzt jede Minute, denkt an euch und eure Lieben. Die Zeit nach der Sterbebegleitung wird nochmal um einiges härter. Während ich mich um meine Mutter gekümmert habe hatte ich eine unglaubliche Kraft, aber danach forderte mein Körper sein Recht. Ich hätte mich hinlegen und nie wieder aufstehen können.

Wenn euer Arbeitgeber vorher schon kein Verständniss hat, wird er es hinterher erstrecht nicht haben. Arbeitgeber gibt es viele. Meine Mutter gab es nur einmal.

Ich kämpfe immernoch mit Depressionen und nach über fünf Monaten erscheint es mir unfassbarer als am Anfang, dass sie nicht mehr da ist. Ich habe kaum noch Freunde und glaube mit niemandem darüber sprechen zu können. Alle tun so, als hätte es sie nie gegeben…

Ich wünsche euch allen viel Kraft.
Mit Zitat antworten