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Alt 25.07.2012, 20:30
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Vater hat Lungenkrebs - wie bloß damit zurechtkommen???

Liebe Claudia,

ach, ich knuddel dich mal zurück! Mensch, das ist ja wirklich alles schwierig...
Ich kenne auch diese Situation mit meinem Papa, der kein Mann der großen Worte war und sich sehr selten geöffnet hat. Meist hat er alles mit sich ausgemacht und wenn das unmöglich war, sich meine Ma anvertraut. Ich schätze, dein Papa gehört auch zu diesem Typ... Weißt du, du kannst ihm ja nur deine Hilfe und Gespräche anbieten. Wenn er ablehnt, musst du auch das akzeptieren.
Ich habe das Gefühl, dass dein Papa euch schützen möchte und vielleicht tatsächlich mehr weiß, als er euch erzählt. Kann aber auch sein, dass die Ärzte ihm nicht alles gesagt haben. Das Verdrängen ist allerdings auch typisch. Das tut einem in der Seele weh, denn es würde ihm doch helfen, wenn er sich öffnen und euch anvertrauen könnte. Mein Vater hat am Ende doch ein Gespräch mit der Seelsorgerin gesucht und war anschließend wie verwandelt. Er wirkte derart erleichtert und man konnte geradezu spüren, dass ihm ein Fels von den Schultern genommen wurde. Oft ist es ja einfacher, sich einem Fremden anzuvertrauen, weil man da keine Rücksicht nehmen muss auf Gefühle... Ich weiß nicht genau, was mein Papa mit der Frau gesprochen hat, doch es hat ihm so geholfen und dann konnte er auch uns gegenüber offen sein. Ich habe mit ihm auch über das Sterben und den Tod gesprochen. So traurig das war, so wertvoll war es dennoch für uns beide.
Und die Psychoonkologin, die solltest du nicht im Hinterkopf behalten, liebe Claudia., Am besten erkundigst du dich umgehend nach einem Gesprächstermin für dich... Du benötigst jetzt Hilfe und nicht erst, wenn womöglich noch Schlimmeres eintritt.
Deine Wut und Verzweiflung kann ich so gut nachempfinden. Das ging mir ebenso. Vor allem, weil ich mich so ohnmächtig fühlte. Ich wünschte immer, ich hätte mehr für meinen Vater tun können. Alles erschien mir so wenig und wenn Leute mir sagten, sie fänden es ganz toll, wie ich mich um meinen Vater kümmerte, war ich ziemlich erstaunt.

Als ich las, wie die Ärzte deinem Papa und euch die Diagnose mitgeteilt haben, wurde ich schon wieder ziemlich wütend. Ich weiß, dass wir Angehörigen in dieser Phase sehr dünnhäutig und sensibel sind, aber dennoch finde ich, dass Onkologen sich ein wenig mehr in die Menschen reinversetzen sollten, denen sie eröffnen, dass sie unheilbar krank sind und keine Chance mehr haben.

Claudia, wenn ich das alles richtig verstanden habe, dann wurde deinem Papa mitgeteilt, dass er keine Chance mehr hat. Wie Gitti schreibt, wir alle wissen nicht, wie lange wir hier sein dürfen und wenn die Zeit deines Papas nun begrenzt sein sollte, dass versucht, die guten Tage miteinander zu genießen. Sage deinem Papa all das, was du dich bisher nicht trautest, wofür nicht der richtige Zeitpunkt war... Es ist wichtig, wenn es auch noch so banal erscheint. Sag ihm, wie lieb du ihn hast und nimm ihn in den Arm. Auch wenn es ihm schwer fallen sollte, Gefühle zu zeigen, so tut es ihm doch nicht weniger gut, wenn du deine Gefühle ihm gegenüber zeigst. Er hat dir seine Liebe ja gezeigt, indem er dich mit den beiden Gartenstühle überraschte... Er wollte dir einfach etwas Gutes tun. Das rührt mich zutiefst.

Und wie gesagt, ich denke, dass du wirklich sehr viel stärker bist, als du glaubst!!! Denn sich Schwäche einzugestehen, kann auch eine Stärke sein.

Liebe Grüße
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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