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Alt 27.05.2009, 16:26
flipaldis flipaldis ist offline
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Standard AW: Ich Und Meine Gefährtin ``LEA``.

Ja, Kerdy, eine habe ich noch.

Voll froher Erwartung trat ich am 20.2.09 zum letzten Mal zur Chemo an. Konnte ich es doch nicht mehr erwarten. Danach würde ich neue Haare kriegen. Nicht dass meine alten besonders kleidsam waren, sie waren eher dazu geeignet meinen Kopf warm zu halten. Im übrigen hatten sie vor der Chemo eine sehr natürliche Farbe, die man am ehesten mit einem alten Putzlappen vergleichen kann. Allerdings war ich vom Schicksal insofern begünstigt, dass ich trotz meiner 53 Jahre sehr wenig graue Haare hatte. Mit ein "paar" blonden Strähnchen drin, von der Friseurin in mühevoller Kleinarbeit mit Plastikhaube und Häkelhaken liebevoll zahlreich gefertigt, fielen sie auch gar nicht auf.
Wir rekapitulieren, am 20.2. Chemo, am 21.2. morgens früh um 6.00 stand ich schon vor dem Spiegel. Keine neuen Haare. Ich drehte mich nach allen Seiten, nirgendwo auch nur der Schatten eines neuen Haares. Ich zog meine Lesebrille an, kroch förmlich in den Spiegel - kein neues Haar. Nur die alten, die mich auch während der Chemo nicht verlassen hatten, standen leicht fransig um meinen Kopf herum. Musste am Licht liegen. Ich schleppte einen Halogenstrahler ins Bad. Nichts zu sehen. - Dann aber bestimmt morgen. Das Spiel wiederholte sich endlose 2 Wochen lang.
Dann eines Morgens hatte sich mein Aussehen kolossal geändert. Statt glänzend strahlte mir meine Kopfhaut schuppig entgegen. Wo war meine spiegelglatte Glatze geblieben. Sofort unter die Dusche, ein Gesichtspeeling auf die Glatze und schon sah ich wieder aus, wie gewohnt. Am nächsten Tag das gleiche. Nach einem erneuten Peeling waren die Verusacher der Schuppenkopfhaut identifiziert. Sehen konnte ich sie immer noch nicht, aber fühlen. Tausende kleiner Häarchen waren in der Nacht geboren worden.

Ende März wurde es bei uns ziemlich warm und ich beschloss auch außerhalb des Hauses keine Mütze mehr zu tragen. Meine Haare hatten inzwischen die stattliche Länge von 3 mm erreicht und wer solche Matte hat muss sich nicht mehr verstecken. Von unten aus der Tiefe schoben sich auch immer neue ans Tageslicht und ich ertappte mich eines Morgens im Bad mit einer Bürste in der Hand um meine Stummels liebevoll in die richtige Richtung zu legen.
Es war so Ende April, als mir plötzlich auffiel, was mir bis jetzt noch fehlte. Meine Haare hatten ihr Pigment verloren. Weiß und grau umrahmten sie mein Gesicht. Aber ich war stolz auf sie. Jedenfalls bis zu dem Moment als mir eine Bekannte sagte: Sieh mal, du näherst dich mit deiner Haarfarbe auch immer mehr meinem Pferd an. Ich sah sie an, musterte sie von unten bis oben, danach sah ich ihr Pferd an, einen Grauschimmel und wusste, ich muss etwas ändern. Jetzt und sofort.
Im Drogeriemarkt hatte ich die Auswahl zwischen einer Unmenge von Farbtönen und entschied mich für kastanienrot, um durch diesen Farbkleks von meinen noch immer ziemlich spärlichen Augenbrauen und Wimpern abzulenken.

Ab nach Hause, Zeug auf Haare, Alufolie um Kopf und warten. Die Packungsbeilage sagte, je nach Ausgangsfarbe 15 - 30 min. Ich wartete sicherheitshalbe eine Stunde bevor ich alles rauswusch. Hätte ich es doch nur nie getan. Ich sah aus wie eine Dreirassenkreuzung aus Lola, von Lola rennt, Boris Becker und Pumuckel. Der Rest war Karotte.

Ich fing an die Haare zu waschen. Irgendwo hatte doch etwas gestanden von "ist nach 14 mal Haarewaschen wieder raus". Nach 20 Wäschen mit Schampoo, Teebaumöl, Pfefferminzöl, reinem Alkohol, OxyAction und diversen Fleckentfernern gab ich deprimiert auf.

Wo ist meine alte Chemomütze??????? Irgendwo muss sie doch sein. Schließlich fand ich sie in der Tasche eines Anoraks. Hatte ich doch nicht vorgehabt sie jemals wieder zu tragen.
Bei dreißig Grad im Schatten sprang ich mit meiner Mütze ins Auto und fuhr los. In die ersten drei Läden konnte ich nicht gehen - ich hätte Bekannte treffen können. Im 4. stand ich dann vor einer endlosen Schlange von Farbtönen und ich entschied mich für das schon erwähnte Mahagonirot.

Wieder zu Hause trug ich es auf, wartete eine Stunde, war aber noch was in der Packung, erneuter Färbevorgang, noch eine Stunde dann war das Ergebnis fertig. Meine Haare strahlten mahagonirot.
Es war etwas gewöhnungsbedürftig aber ich fand es gut.

Mein Mann kam rein. "Du hast dir die Haare gefärbt? Warum hast du keine Farbe genommen, die dir steht?

So, liebe Kerdy, jetzt kennst du auch die Geschichte meiner mahagonifarbenen Haarstoppeln.


liebe Grüße
flipaldis