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Alt 18.02.2011, 23:50
Dirk1973 Dirk1973 ist offline
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Standard AW: Nichtseminom, stadium IIIa?

Hallo Maxe,

Du hast es selber schon geschrieben: in Eurem Krankenhaus behandeln sie nur selten Patienten im Alter Eures Sohnes und vermutlich noch weniger mit vergleichbar fortgeschrittenem Hodentumor.
Um es mal nüchtern auf den Punkt zu bringen: Hodenkrebs ist wie schon geschrieben auch in fortgeschrittenen Stadien durchaus heilbar. Aber je weiter fortgeschritten, desto erfahrener sollten die Ärzte sein. Und da reicht es aus meiner Sicht nicht, mal den einen oder anderen Hodentumor behandelt zu haben.
Hannover wäre zumindest laut der Interdiziplinären Arbeitsgruppe Hodentumore eine mögliche Anlaufstelle. Die sind aktiv in die Forschung eingebunden und somit auch auf dem aktuellsten Stand der Hodenkrebs-Therapie.
Auf jeden Fall solltet Ihr eine Zweitmeinung von einem Tumorzentrum einholen, bevor Ihr in eine Therapie startet. Das geht auch per Email und kann von Eurem Onkologen oder auch von Euch gemacht werden. Ihr braucht dazu aber die genauen Befunde.
Projekt Zweitmeinung Hodentumor.

Was sind Tumorzentren? Im Grunde einfach nur Krankenhäuser, die sich im Besonderen auf Tumorerkrankungen spezialisiert haben. In der Regel sind dies Unikliniken mit ihrer Vielzahl an Fachabteilungen.
Turmorpatienten werden dort regelmäßig im Rahmen vor Tumorkonferenzen interdisziplinär (also von allen beteiligten Fachabteilungen) besprochen.
Im Falle des Hodentumors Eures Sohnes sehe ich da z.b. Urologen, Onkologen, Pulmologen, Radiologen, ggf. auch Thoraxchirurgen sowie last but not least bei Bedarf auch Psychologen an einem Tisch sitzen und die Therapie abstimmen. Da kommen die Expertenmeinungen aus allen für Euren Sohn notwendigen Bereichen an einem Punkt zusammen und ergeben dann den Fahrplan für die erfolgreiche Therapie.
Ich kenne nun nicht das Krankenhaus in dem Euer Sohn gerade liegt. Aber Ihr könntet Euch z.B. fragen, ob dieses KH das o.g. Spektrum leisten kann.
Vielfach machen die kleineren Krankenhäuser bei unkomplizierten Verläufen auch kein schlechtes Bild. Aber wie oft behandeln die ein Stadium IIIa ?

Begleitende Therapien oder Medikamente oder auch Nahrungsergänzungsmittel verbieten sich von selbst, wenn sie nicht mit den behandelnden Ärzten abgestimmt sind. Eine Chemo ist ein ziemlich komplexes Verfahren mit den verschiedensten Wirkungsansätzen und -wegen. Nichts wäre fataler, als eine Chemo in ihrer Wirkung zu schwächen, weil man vermeintlich Gutes tun wollte.
Letztlich wüsste ich aber auch nichts, was man hier nebenher noch machen sollte.

Tipps für die Chemo:
Joah.... auf jeden Fall Mundspülung und peinlichste Zahnhygiene. Die Schleimhäute (und zwar alle.....) werden durch die Chemo ziemlich gepiesackt. Mindestens dreimal täglich, sowie nach jeder Mahlzeit Zähne putzen und danach Mundspülung verwenden. Muss keine spezielle sein.

Milchprodukte sind okay, wenn es um Übersäuerung des Magens geht. Auch dessen Schleimhaut findet das was Ihr da vorhabt alles andere als okay. Ich habe seinerzeit sehr gerne Milch getrunken (in Maßen) und auch gerne Joghurts verputzt. Wenn das mit dem Sodbrennen zuviel wird, bei den Docs Medikamente einfordern. Ist völlig unproblematisch in den Griff zu bekommen.
Auf Grund der Schleimhautprobleme sind scharfe Gerichte echt fies und rächen sich wenn man Pech hat, gleich zweimal...
Ansonsten: alles essen, worauf er Lust hat. Hat er ein Lieblingsgericht, dann dieses entweder gar nicht oder nur selten machen. Nicht dass ihm der Hodentumor auch später noch sein Lieblingsmahl versaut hat, weil er es nicht mehr sehen kann.

Das mit der Röntgenuntersuchung halte ich zwar für unspektakulär, fachlich aber dennoch für fraglich wenn nicht sogar diskussionswürdig. Soll er nächstes Mal eifach drauf bestehen. Die Genitalschalen oder Bleischürzen sind in jeder Radiologie vorhanden und somit auch zu nutzen.

Ich kann gut nachvollziehen, dass Euer Sohn nicht gerade begeistert ist. Mit 16 hat er ja noch nicht mal ansatzweise seine Träume und Ziele verwirklichen können. Ich hätte seinerzeit mit 33 noch können...
Wichtig ist an dieser Stelle einfach, dass er immer fest an den guten Ausgang glaubt. Er wird ganz sicher auch mal schlechte Tage haben. Das ist leider so, ist aber auch gut so. Denn er wird charakterlich an dieser Situation wachsen. Seid einfach für ihn da, wenn er Euch braucht. Bleibt aber auch ruhig mal weg, wenn er Euch mal nicht sehen mag. Das hat nichts böses, aber in diesen Momenten hat er einfach mit sich selber zu tun. Wenn ihr merkt dass er aus dem Ruder läuft, sofort mit den Ärzten klären und bitte einen Psychoonkologen mit in´s Team zu nehmen.

Sooooo, ganz viel geschrieben..... Ich danke Euch für die Wünsche zu meiner Nachsorge. Zumindest meine Turmormarker sind schonmal okay. Das ist für mich immer die Hauptsache. Ich war zwar nur Stadium IIa, aber mit einem fast reinen Embryonalkarzinom auch High-Risk-Kandidat für ein Rezidiv. Ihr seht: es ist durchaus zu schaffen....
Auch Euer Sohn wird das packen.
Wenn Ihr noch Fragen habt.... immer her damit.
Ich verlinke Euch mal mein Chemotagebuch. Dann könnt Ihr Euch ein wenig darauf einstimmen, was kommen kann wobei anzumerken bleibt, dass jeder Verlauf immer anders ist.
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Geändert von Dirk1973 (19.02.2011 um 06:30 Uhr)
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