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Alt 13.10.2004, 20:06
Gast
 
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Standard Nun bin ich Witwe

Am letzten Sonntag, dem 10.10.2004 ist mein geliebter Mann von mir gegangen. Er war nur 56 Jahre alt und litt an BSDK, den man erst Anfang Januar 2004 festgestellt hatte. Von Anfang an wußten wir, dass er nicht operabel war, aber wir haben trotzdem gehofft, dass irgendwie ein Wunder geschieht und ihm wenigstens noch ein paar Jahre geschenkt würden. Obwohl er fast bis zuletzt gekämpft hat, sollte es nicht sein. In der letzten Woche ging es ihm immer schlechter bis er dann am Sonntag für immer einschlief. Wie er es sich wünschte, brauchte er, obwohl er ein Pflegefall war, nicht ins Krankenhaus, ich habe ihn gerne zu Hause gepflegt. Erst in den letzten zwei Tagen habe ich einen Pflegedienst zusätzlich in Anspruch genommen. Als nur noch seine leere Hülle vor uns lag, haben meine Tochter und ich es ihm noch einmal richtig schön gemacht, ihn mit 35 roten Rosen bedeckt und viele weiße Kerzen um ihn herum angezündet. Ich glaube, es hätte ihm gefallen. Selbst der Arzt, der kam um den Totenschein auszustellen, hatte Tränen in den Augen, so gerührt war er. Mein Uli lag so gelöst da und schien sogar etwas zu lächeln und es war furchtbar für mich, als abends das Bestattungsunternehmen kam, um ihn mir wegzunehmen. Wie gerne hätte ich wenigstens seine leere Hülle behalten, aber das durfte ich nicht. Jetzt ist er weg und doch nicht ganz. Meine Tochter, die mit ihrer Familie im Nachbarhaus wohnt, hat ihn deutlich gespürt, als er ihr in der Nacht von Montag auf Dienstag über das Haar gestrichen hat und ich habe von ihm am Montagabend eine Mahnung erhalten und das kam so: Sonntag und Montag machte ich mir immer wieder Vorwürfe und redete mit meinen Verwandten und Freunden darüber, dass ich ihn während der Pflegezeit auch schon mal angefahren und mit ihm geschimpft habe. So auch am Montagabend während eines Telefongesprächs mit einer Freundin. Plötzlich, ich hatte es gerade ausgesprochen und meine Freundin wollte noch sagen, dass ich mir das doch nicht zu Herzen nehmen solle, hörten wir ein Brummen, wie von einem Staubsauger in der Leitung. Ich fragte meine Freundin, ob sie beim Telefonieren sauge, "nein", sagte sie, "Du denn, denn ich höre es auch". "Natürlich nicht", sagte ich. Nachdem wir uns kurze Zeit gewundert hatten, legte meine Freundin auf und wählte erneut.Jetzt war das Geräusch weg. Nachher erinnerte ich mich, dass mein Mann, wenn ich mich über irgendetwas aufregte und mich über Stunden gar nicht beruhigen konnte, immer meinte, jetzt sei es genug, ich solle damit endlich Schluss machen. Ich bin überzeugt, dass das Geräusch mir sagen sollte, dass es jetzt auch mit meinen Selbstvorwürfen genug sei und mein Mann sich so gemeldet hat.
Ach wenn er doch noch da wäre. Ich vermisse ihn so. Meine Tochter besucht mich zwar täglich, aber ich fühle mich so einsam und allein. Dabei habe ich jetzt noch eine Menge zu erledigen, Gänge zum Bestatter, zur Dienststelle meines Mannes, zur Sparkasse, zur Versicherung usw. Ich bin kaum im Haus und ich muss ehrlich sagen, ich halte es hier auch nicht aus. Überall die Erinnerung an meinen geliebten Uli, es ist so traurig. Mir graut schon wieder vor dem langen Abend, der jetzt auf mich zukommt. Ich weiß ja, dass ich mich darin schicken muss, aber es ist so schwer. Ich fühle mich die meiste Zeit wie versteinert und kann gar nicht richtig weinen, obwohl mir mein Herz wie ein Stein so schwer in der Brust liegt.
Beatrix
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