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Alt 04.10.2013, 02:18
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Hallo zusammen,

ich denke, es kommt sehr auf die momentane Situation und individuelle Voraussetzungen an, ob man den Begriff des Kampfes anwendet oder lieber was anderes. Ich denke weiterhin, es ist entscheidend, wem und zu welchem Zeitpunkt man was sagt. Die Wortwahl ist dabei absolut wichtig.

Man sollte den Partner, die Partnerin, den Freund, die Mutter, den Opa, als Arzt den Patienten genau da abholen, wo er/sie gerade steht. Dazu muss man sich als Angehöriger/Betroffener/Arzt sehr wohl in die Psyche und die Lage des oder der (anderen) Erkrankten hinein versetzen oder es zumindest versuchen. Natürlich läuft man dabei Gefahr sich zu irren. Unter Umständen zum falschen Zeitpunkt das Richtige sagen oder zum richtigen Zeitpunkt das Falsche und manchmal einfach die Klappe halten, was auch falsch sein kann. Das Risiko muss man eingehen, wenn man verstehen und helfen will. Alles andere wäre doch nur hohles Geschwätz und das unabhängig davon, wo man selber gerade steht. Ob nun als Betroffene/r, Angehörige/r, Hinterbliebene/r oder Arzt.

Genau das ist der Grund, warum ich mich an dieser Diskusion beteilige: ich möchte, soweit möglich, wissen und verstehen. Zum Teil aus meiner Vergangenheit begründet und zum anderen Teil, weil sich jeder hier in vielleicht ähnlicher, jedoch nur ganz selten in der gleichen Situation findet. Bei Mit-Patienten, Mit-Angehörigen und Mit-Hinterbliebenen lege ich mindestens den gleichen Maßstab an.

Einem/r frisch Diagnostizierten sagt man: Kämpfe! Danach: schau mal, was das Leben noch zu bieten hat. Bei einem frisch Erkrankten könnte das bedeuten: mach eine Weltreise, erfülle dir deinen größten Wunsch und dann ... Tschüß. Im finalen Stadium kann man nur noch die Hand halten. Egal, ob man krebsbedingt dieses letzte Stadium erreicht oder nicht, auf unserer aller persönlichem Weg gibt es tausend Zwischentöne. Auch ein Betroffener kann mir nicht erzählen, dass er einfach so dazu kam, das Leben nach mehr oder weniger erfolgreicher Behandlung als schön zu empfinden. Dazu gehört Kampf und ich bleibe bei dem Wort. Kampf im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, und oft genug flossen tatsächlich Blut, Schweiß und Tränen. Kampf gegen den Krebs, Kampf mit und gegen sich selbst. Kämpfen ist doch nichts negatives?

Das Ziel? Friede. Mit sich, dem Krebs, dem Leben. Glückwunsch an jeden, der das schafft. Auch dann, wenn es so ausgeht: es war schwer, aber auch sehr schön.

Was anderes. Als Angehöriger wollte ich keine Entscheidungen treffen, was das Leben ohne meine Frau betrifft. Als Hinterbliebener MUSSTE ich, ob ich das wollte oder nicht. Ich war gezwungen dazu. Ok, ich hätte es auch lassen können. Dann säße ich vielleicht heute in der Klapse oder schliefe unter einer Brücke. Ich hätte mich auch anders entscheiden können, dann könnte ich heute hier nicht schreiben. Leicht? Nein. Freiwillig? Nein. Mit einem Lächeln? Nein. Entscheidungen sind Entscheidungen. Auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung. Analog dazu: als Gesunder will ich jetzt keine Entscheidungen für mich treffen, sollte ich irgendwann mal an Krebs erkranken. Es genügt mir, dass ich dazu gezwungen werde, wenn es soweit kommen sollte. Was nicht heißt, ich mache mir gar keine Gedanken darüber. Als ehemaligem Angehörigen gehört das Gespenst namens Krebs aus gegebenem Anlass zu meinem Leben.


Liebe Grüße und allen eine gute Nacht,

Helmut
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