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Alt 21.09.2005, 20:44
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Meine Mama geht bald...

Liebe Susanne,

danke für Deine Geschichte. Es ist schön zu sehen, dass es - was auch kommt - immer weitergeht. Und - wieviel ein Mensch zu ertragen in der Lage ist. Im Augenblick bin ich auch ganz zuversichtlich, aber das ändert sich immer wieder.

Ich bin der Überzeugung, ob man im Moment des Sterbens bei dem geliebten Menschen sein kann, kann man selbst nicht beeinflussen. Meine Oma starb zuhause - ich war am frühen Abend noch dort, meine Mama hat zu dieser Zeit schon länger in Omas Wohnung gelebt. Sie hat noch nach ihr gesehen und wollte dann nur eine Weile vor dem Fernseher entspannen - und ist dort gleich eingeschlafen. Als sie wieder wach wurde, hatte meine Oma ihren letzten Atemzug schon getan. Ich denke, sie wollte es wahrscheinlich so. Meine Oma war zwar dement, hatte sich aber trotzdem von allen ihren Lieben in den Tagen zuvor verabschiedet (mir fehlten die Worte, ehrlich gesagt, als sie mir alles Gute fürs Studium wünschte - und es jetzt schon bedauerte, dass sie nicht mehr da sein würde, um den Abschluss zu feiern).

Ich werde sehen müssen, wie es bei meiner Mama sein wird. Sie kann kaum noch sprechen, sie driftet wohl so langsam ins Leberkoma (die Reduzierung der Morphiumdosis hat nicht bewirkt dass sie ansprechbarer wurde, nur dass sie Schmerzen hatte). Das schlimmste war heute, als sie mich sehr eindringend angeschaut hat und genauso eindringlich etwas gemurmelt hat, was ich nicht verstehen konnte - ich werde es nicht erfahren, ob es etwas aus ihrem Traum war (sie schlief halb), oder ob sie mir wirklich etwas mitteilen wollte. Manchmal denke ich, es ist nicht schlimm, wenn sie von ihrer Umwelt nichts mehr mitbekommt - andererseits weiss ich eben nicht, ob sie nicht doch noch etwas sagen möchte.

Ich weiss auch nicht, ob ich bei ihr sein werde - ich muss ja arbeiten. Ich hoffe aber, dass es sich rechtzeitig ankündigen wird, dass ich vom Hospiz noch benachrichtigt werden kann. Glücklicherweise kann ich, egal ob von zuhause oder vom Büro in 20 Minuten dort sein. Und falls nicht, ist sie dort wenigstens nicht ganz allein.

Sicher, es wird weitergehen, wir werden alle zurecht kommen. Aber es werden mit diese Momente sein, bei denen man eben seine Mama anruft - und sei es nur so belangloses, wie "wieviele Zwiebeln würdest Du für 2kg Kartoffelsalat nehmen?". Oder die Tatsache, dass ich noch nie zu Weihnachten einen Gänsebraten selbst gemacht habe...
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