Thema: Denkfehler?
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Alt 20.07.2012, 21:58
Aquintos Aquintos ist offline
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Standard Die Mama...

Hallo und guten Abend zusammen,

ich war heute Abend wieder bei meiner Mama.

Irgendwie meint sie, immer mehr und mehr von Papa "loswerden" zu wollen/müssen. Das ist nicht böse gemeint. Sie räumt auf.
Sie muss nicht....sie soll sich Zeit nehmen, solange sie braucht. Ich habe auch nie ein Wort darüber verloren; es ist Ihre Sache!

Ich habe Menschen in der letzen Zeit kennengelernt, die nach Jahren noch alle Dinge des Partners in den Schränken hatten. Alles unverändert. Das muss jeder für sich selber entscheiden.

Ich finde es eigentlich nicht schlimm, Schränke auszuräumen mit Dingen die niemals mehr gebraucht werden. Aber Papas Kleiderschrank heute.....puh.

Schon als ich den Koffer aus dem KKH mit nach Hause genommen habe, war mir klar, dass die Zähne meines Papas keiner mehr brauchen kann; ebenso wie die Kleidung in der er gestorben ist (zusammengerafft in einem Plastikbeutel obendrauf....den Koffer haben die Pfleger der Palliativ-Station schon fertig gepackt nach Ihrem Schema...finde ich gut! Nicht jeder kann nochmal den Anblick ertragen oder in`s Zimmer gehen. Meine Mama konnte es nicht. Was wäre also mit den ganzen Sachen passiert? Wer hätte den Schrank ausgeräumt? Kleidung lag also unten im Koffer, Wertsachen (Uhr, Zähne, Geldbeutel) obenauf...zuklappen...fertig!)

Gedanklich habe ich mich die letzten Wochen in die Pfleger dieser Station versucht hineinzuversetzen. Es will mir einfach nicht wirklich gelingen. Eine Station, auf der fast nur gestorben wird. Die Schwester erzählte mir, daß eine wirklich Palliative-Versorgung kaum noch möglich ist heutzutage.
Die Patienen kommen viel zu spät, wenn wirklich ALLES zu spät ist. Das Ziel dieser Stationen wäre, die Menschen soweit "fit" zu machen, daß sie wirklich noch eine schöne Zeit zu Hause haben oder noch in ein Hospiz können.

Aber ich schweife schon wieder ab...

Also wurden heute ein paar Sachen in die Restmülltonne gepackt. Ich hatte (fast) jedes Teil in der Hand, das mein Papa gerne getragen hat. Wir haben gemeinsam alles begutachtet, darüber gelacht "Weisst Du noch, als er das anhatte....", haben hässliche Kravatten aussortiert, Socken und Unterhosen sortiert. Mama meinte "Jedesmal wenn die Müllabfuhr kommt, nehmen die einen Teil von Papa mit. Das kommt mir so unwirklich vor. Das ist so schlimm."

Wir hatten das letzte Paar Schuhe in der Hand (die restlichen hatte sie schon "entsorgt" vor Wochen) und sie meinte "Die hatte Papa noch nie an. Die sind ganz neu. Die habe ich extra verwahrt. Papa hatte nämlich Nagelpilz an einem Zeh; und die Afrikaner sollen das nicht auch bekommen. Die andern Schuhe habe deshalb in den Restmüll getan. Aber mit denen hier kann man doch noch was machen, oder?"

Ja klar. Wir haben sie wieder in den Schrank gestellt.

Die Afrikaner laufen barfuss mit leeren Kanistern auf´m Kopp 10 km zur nächsten Wasserstelle; da wäre so ein Nagelpilz tödlich, vor allem wenn der Träger dieser Schuhe immer Socken anhatte...aber SO ist meine Mutter eben.

Ich habe ihr vorgeschlagen, daß wir die Sachen, die noch "gut" sind, zu einer Kleiderkammer bringen; damit Männer, die nicht so viel Geld haben, Spaß an warmen Pullovern und Winterjacken im Herbst/Winter haben. Wir fangen mal klein an, also vielleicht 2 Jacken, 3 Pullover, fahren gemeinsam hin und schauen einfach, was mit den Sachen passiert und was das für eine Einrichtung ist.

Mama hat auch schon wieder einen Kurztrip mit Ihrer Freundin gebucht. Eine 4-tägige Busreise mit vielen Ausflügen etc. Soll sie machen! Ende August.

Für das Wochenende gab es noch keinen Plan. Morgen will sie zum Friedhof; die Mama meines Papas hat am Montag 19. Todestag. Da muss alles schön sein. Wir werden morgen Nachmittag telefonieren.

Ich möchte aber noch einen Nachtrag schicken. Ich habe einige PN´s bekommen, was meine Mama angeht.

Hier noch ein paar Fakten zum besseren Verständnis:
Sie ist 64 Jahre, hat COPD Stad. III, ein Lungenvolumen von 60%;
letztes Jahr war sie 2 1/2 Wochen im KKH wegen verschleppter Bronchitis, knapp an der Intensivstation vorbeigeschliddert, da Lungenvolumen nur noch 40%. Bei einer Größe von 1,65m wiegt sie noch 49 Kilos, Tendenz fallend (aus welchen Gründen auch immer). Sie kann sich nicht selber um den Garten kümmern, keine Getränkekisten schleppen. Das matschige Wetter macht es mit der Luft noch schlimmer. Sie kann keine Treppen steigen (wenn, dann nur mit Pausen) und keine langen Strecken gehen. Altersmässig (mit 64) gehört sie nicht zum "alten Eisen". Aber die Krankheit an sich macht Ihr/mir zu schaffen.

So, das war es für heute.
LG
Aqui
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Man sieht die Sonne langsam untergehen; und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist.

Papa: *31.01.1948 +19.05.2012
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